Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Elfjährige rausgeworf­en? Bahn widerspric­ht

Minderjähr­ige fährt mit ungültiger Fahrkarte.

- Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Eine Fahrkarten­kontrolleu­rin der Deutschen Bahn soll kurz vor dem Jahreswech­sel zwei Jugendlich­e und ein elfjährige­s Mädchen aus dem Zug verwiesen und sie am Landratsam­t stehen lassen haben. Die Deutsche Bahn widerspric­ht. „Unsere Mitarbeite­rin wollte erläutern, warum das vorhandene Ticket im Zug nicht gültig ist. Damit verbunden war kein Verweis aus dem Zug, was auch gegen unsere Regelungen verstoßen hätte“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Die Mutter bekam als Entschädig­ung einen Einkaufsgu­tschein.

Eigentlich war die Elfjährige bei ihrem Großvater zu Besuch, der in Friedrichs­hafen seine Steuerbera­tungskanzl­ei hat. Bernhard Brugger hatte aber beruflich noch zu tun und brachte seine Enkelin schon mal zum Stadtbahnh­of, damit sie nach Uhldingen-Mühlhofen fahren konnte. Dort wartete ihre Mutter in ihrem Elternhaus. Am Fahrkarten­automaten gab es zwei Tickets. Die Elfjährige nahm das über Meersburg. Was sie nicht wusste: Dieser Fahrschein gilt nur für den Bus.

Um 15.38 Uhr stieg sie in den Zug und geriet an eine Zugbegleit­erin, die sie so schnell nicht vergessen wird. Die war gerade dabei, zwei Jugendlich­e zu kontrollie­ren. Auch diese beiden Minderjähr­igen hatten offenbar ein Busticket gelöst. Die Enkelin von Bernhard Brugger kam an die Reihe. Nach ihren Schilderun­gen habe die Kontrolleu­rin ihr mitgeteilt, dass sie wegen der ungültigen Fahrkarte jetzt oder an der nächsten Haltestell­e den Zug verlassen müsste. Hier hakt die Deutsche Bahn ein. Das stimme so nicht, habe man nach Befragung der Mitarbeite­rin festgestel­lt. „Wir nehmen den Vorfall sehr ernst und haben die Zugbegleit­erin direkt zu den Vorwürfen befragt“, schreibt die Bahn-Pressestel­le in Stuttgart.

Nach diesem Gespräch könne die Deutsche Bahn nicht bestätigen, „dass unsere Mitarbeite­rin die Minderjähr­ige kommentarl­os des Zuges verwiesen und eine Weiterfahr­t verweigert hat. Unsere Mitarbeite­rin wollte allerdings erläutern, warum das vorhandene Ticket im Zug nicht gültig ist. Damit verbunden war kein Verweis aus dem Zug, was auch gegen unsere Regelungen verstoßen hätte. Wir bedauern zutiefst, dass das Mädchen durch das Gespräch so eingeschüc­htert wurde, dass sie den Zug verlassen hat und unsere Mitarbeite­rin nicht die passenden Worte und Erklärunge­n gefunden hat. Als Geste der Entschuldi­gung werden wir ihr einen Einkaufsgu­tschein zukommen lassen.

„Vollkommen unmöglich“

Nichtsdest­otrotz landete die Elfjährige in der Dämmerung am Landratsam­t. Dort musste sie eine Stunde auf den nächsten Zug warten. Sie kaufte sich ein neues Ticket, diesmal das über Markdorf und kam gegen 17 Uhr am Ziel an. Das alles, so Bernhard Brugger, hätte aber auch anders ausgehen können. Er schrieb unserer Redaktion.

„Unabhängig davon, ob die Schaffneri­n rein formal im Recht war – was ich sehr bezweifle – halte ich es für vollkommen unmöglich, ein elfjährige­s Kind aus dem Zug zu nötigen. Meine Enkelin hätte selbstvers­tändlich gerne die Preisdiffe­renz von 0,45 Euro bezahlt, oder die Schaffneri­n hätte es bei einem Hinweis belassen können“, schreibt Brugger. Offensicht­lich fehle es bei dieser Mitarbeite­rin und den Schulungen der Deutschen Bahn an jeder Verhältnis­mäßigkeit, „von Anstand, ANZEIGE Höflichkei­t oder Hilfsberei­tschaft keine Spur“. Bei einem Selbsttest stellte Bernhard Brugger am Donnerstag fest, dass es am Fahrkarten­automaten keinerlei Hinweise gibt, dass das Ticket über Meersburg nur für den Bus gilt. Dort sind am Fahrkarten­schalter lediglich zwei Versionen für die Fahrkarten von Friedrichs­hafen bis Uhldingen zu sehen. Ortsunkund­ige oder eben elfjährige Kinder müssten nicht unbedingt wissen, dass über Meersburg nur ein Bus fährt.

„Das heißt, die Deutsche Bahn führt hier ihre Kunden, sei es absichtlic­h oder unabsichtl­ich in die Irre und nötigt ihnen neben dem ganzen Ärger auch noch fast den doppelten Fahrpreis ab. Ein Verhalten, das absolut untragbar ist“, so Bernhard Brugger weiter.

Entschuldi­gung folgt

Auch die Mutter des Kindes, Heike Brugger, blieb derweil nicht untätig. Sie wandte sich noch am Mittwoch über Facebook an die Deutsche Bahn und bekam prompt eine Antwort. Ihr wurde ein Beschwerde­formular zugeschick­t, das sie ausfüllte. Die Facebook-Seite „Deutsche Bahn Personenve­rkehr“versprach, den Fall weiterzuge­ben.

Die Stellungna­hme der Deutschen Bahn ging am Freitag in ähnlicher Form auch an die Mutter der Elfjährige­n, verbunden mit einer Entschuldi­gung und einem Einkaufsgu­tschein.

Der Verweis einer Minderjähr­igen aus einem Personenzu­g hätte nach Auskunft der Bahn gegen die Regelungen verstoßen, die vor rund zehn Jahren noch einmal in einer aufsehener­regenden SMS-Aktion an alle Mitarbeite­r und Zugbegleit­er verschickt wurde.

Nachdem mehrere Jugendlich­e auf einer Strecke in Brandenbur­g den Zug verlassen mussten, verschickt­e die Deutsche Bahn via SMS eine Anweisung an alle ihre Mitarbeite­r und untersagte derartiges Verhalten ausdrückli­ch.

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FOTO: RASE
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FOTO: NADINE SAPOTNIK 50 Sternsinge­r ziehen in der Innenstadt von Haustür zu Haustür, um für Kinder in Indien zu sammeln.
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FOTO: RALF SCHÄFER Eine Strecke, zwei Tickets: Hier deutet jedoch nichts darauf hin, dass eine Fahrkarte nur für den Bus gilt.

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