Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Steter Tropfen höhlt den Stein
Das Gute kommt zuerst. Wenn Kim Jong-un jetzt mit sich reden lässt, werden viele Sportler in aller Welt aufatmen. Es wäre wohl doch ein mulmiges Gefühl, während der Olympischen Winterspiele in Südkorea mit Raketenstarts oder gar einem Atomtest des Nordens rechnen zu müssen. Sichere und friedliche Wettkämpfe wünscht nun auch der Diktator. Auch wenn tatsächlich nur sehr wenige nordkoreanische Athleten für Olympia in Pyeongchang infrage kommen, das Internationale Olympische Komitee sollte Kim beim Wort nehmen und die Sportler aus dessen Staat ausdrücklich einladen.
Kim hat wohl erkannt, dass die Winterspiele in seiner direkten Nachbarschaft auch die Chance bieten, einen Keil in die Weltgemeinschaft zu treiben – und vor allem USPräsident Donald Trump wie einen Kriegstreiber aussehen zu lassen. Der fragile Konsens zwischen Seoul und Washington, wie man mit dem Regime in Pjöngjang umgehen sollte, steht nun auf tönernen Füßen. Kim Jong-un glaubt zumindest, dass sein Kalkül aufgehen könnte, die taktische Allianz zwischen Südkorea und den Vereinigten Staaten zu spalten.
Das Angebot, die Spiele nicht zu boykottieren oder gar zu stören, ist ein geschickter Schachzug. Allerdings ist kaum davon auszugehen, dass Kim Jong-un nun plötzlich vom olympischen Geist beseelt wurde. Sein Einlenken könnte als erste Reaktion auf die internationalen Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat gewertet werden. Ab 1. Januar gelten erneut verschärfte Bedingungen für den Handel mit Nordkorea. Die offiziell erlaubte Importmenge an Öl soll auf ein Fünftel reduziert werden. Auch der Import von Industriegütern, Fahrzeugen und Rohstoffen wird stark limitiert. Dies trifft das Regime ebenso empfindlich wie die Verschärfung der Exportregeln auf Holz und Fischereiprodukte – die bislang wichtigsten Devisenquellen Nordkoreas.
Selbst wenn das Embargo auch dieses Mal wieder von skrupellosen Geschäftsleuten aus China und Russland unterwandert wird: Steter Tropfen höhlt den Stein.