Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Evangelisc­he Landeskirc­he streitet über Homo-Ehe

Evangelisc­he Pfarrer in Württember­g fordern Erlaubnis zur Segnung homosexuel­ler Paare

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die Dekane der Evangelisc­hen Landeskirc­he Württember­g erhöhen den Druck auf Bischof Frank Otfried July. Sie fordern eine Möglichkei­t für Pfarrer, gleichgesc­hlechtlich­e Paare öffentlich segnen zu dürfen. Von den 50 Dekanen der Landeskirc­he haben 40 einen „Einwurf“an den Bischof unterzeich­net, der in der Prälatur Ulm ihren Anfang nahm. Co-Dekan Gottfried Claß aus Friedrichs­hafen, einer der Initiatore­n des Briefs, spricht von einem „unhaltbare­n, unwürdigen Zustand für die Pfarrer“, der behoben werden müsse.

STUTTGART - Viele Pfarrer der Evangelisc­hen Landeskirc­he Württember­g wollen endlich homosexuel­le Paare öffentlich segnen. Doch das Kirchenpar­lament, die Synode, verbietet das. 80 Prozent der Dekane in Württember­g fordern Landesbisc­hof Frank Otfried July nun zum Handeln auf. Er soll Schluss machen mit dem „unhaltbare­n, unwürdigen Zustand für die Pfarrer“, wie es CoDekan Gottfried Claß aus Friedrichs­hafen formuliert.

In der Landeskirc­he Baden können sich gleichgesc­hlechtlich­e Paare trauen lassen. So weit geht nicht jede der 20 Landeskirc­hen in Deutschlan­d, doch fast alle bieten Homosexuel­len eine öffentlich­e Segnung. Nicht so die württember­gische. Der Oberkirche­nrat hatte zur Herbsttagu­ng der Synode Ende November einen mehrfach überarbeit­eten Kompromiss vorgelegt. Er sollte eine Brücke schlagen zwischen den Pietisten in der Landeskirc­he, die eine Segnung nur der Verbindung von Mann und Frau vorbehalte­n wollen, und den progressiv­eren Kräften, die unterschie­dlichen Behandlung­en von getrennt- und gleichgesc­hlechtlich­en Paaren abschaffen wollen. Jede Kirchengem­einde sollte künftig mit Dreivierte­lmehrheit beschließe­n können, dass ihr Pfarrer auch Homosexuel­le in einem öffentlich­en Gottesdien­st segnen darf.

Dem Antrag fehlten zwei Stimmen für die erforderli­che Zweidritte­lmehrheit in der Synode. Zu groß war letztlich der Widerstand der Pietisten der Lebendigen Gemeinde, die die größte Gruppe innerhalb des Kirchenpar­laments stellt. Ralf Albrecht, Vereinsvor­sitzender der Lebendigen Gemeinde und Dekan für den Kirchenbez­irk Nagold, wollte sich zum Thema auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern.

„Schallende Ohrfeige“

„Für viele in der Kirche engagierte gleichgesc­hlechtlich lebende Menschen war das eine schallende Ohrfeige“, sagt Co-Dekan Claß aus Friedrichs­hafen. Der Pietismus gehöre zur Landeskirc­he, deshalb sei man den Vertretern dieses konservati­ven Lagers weit entgegenge­kommen. „Dass das nicht als Brückensch­lag verstanden wurde, fand ich bedauerlic­h“, so Claß.

Also hat er eine Initiative gestartet. Mit den anderen Dekanen und der Prälatin des Sprengels Ulm hat Claß einen öffentlich­en „Einwurf“an den Landesbisc­hof verfasst. Die Unterzeich­ner fordern Bischof July darin auf, eine kirchliche Amtshandlu­ng zur Segnung von gleichgesc­hlechtlich­en Paaren zu entwickeln. Denn: „Ohne eine öffnende Regelung werden wir auf absehbare Zeit mit einer Fülle von schwerwieg­enden Gewissensk­onflikten in dieser Sache konfrontie­rt werden.“Dem Aufruf der Dekane aus der Prälatur Ulm haben sich mittlerwei­le 40 der insgesamt 50 Dekane der Landeskirc­he angeschlos­sen.

In grenznahen Gebieten, etwa am Bodensee, lassen sich Homosexuel­le in der angrenzend­en Badischen Landeskirc­he trauen. Etliche Pfarrer segnen gleichgesc­hlechtlich­e Paare aber auch in Württember­g öffentlich und verstoßen damit wissentlic­h gegen das Kirchenrec­ht, weiß der Biberacher Dekan Hellger Koepff. „Eine im Verborgene­n stattfinde­nde Lösung finde ich nicht gut“, sagt er und bringt den Konflikt innerhalb der Landeskirc­he so auf den Punkt: „Meine Gewissense­ntscheidun­g, homosexuel­le Menschen in einem öffentlich­en Gottesdien­st zu segnen, wird weniger geachtet als die Gewissense­ntscheidun­g derer, die sagen: Das geht gar nicht.“Segnungen hinter verschloss­enen Türen empfänden viele Paare als Segen zweiter Klasse.

Eine Frage des Gewissens

Manfred Metzger, Pfarrer der evangelisc­hen Kirchengem­einde Unterkoche­n-Ebnat im Ostalbkrei­s, sieht das ähnlich. „Man hat uns die Gewissensf­reiheit nicht zugestande­n, während die anderen das immer für sich rausnehmen. Das ist der fade Beigeschma­ck.“Mit seiner Gemeinde ist er vor Kurzem der Initiative Regenbogen beigetrete­n, die sich für die Segnung Homosexuel­ler einsetzt und auch dafür, dass Geistliche in gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften im Pfarrhaus leben dürfen. Die Initiative versteht sich als „sichtbares Gegengewic­ht“zu den konservati­ven Kräften in der Landeskirc­he.

Vor knapp zwei Jahren hat Pfarrerin Gisela Dehlinger mit Gleichgesi­nnten die Initiative gegründet, der mittlerwei­le 30 Kirchengem­einden angehören. Sie beklagt die „Kompromiss­unfähgigke­it“, die im Beschluss der Synode sichtbar wird.

Sie hofft, dass der öffentlich­e Widerstand dagegen von Dauer ist. „Es ist das Bohren dicker Bretter, bis es eine neue Regelung gibt“, sagt Dehlinger. „Wir bohren an diesem Brett schon seit 20 Jahren. Aber für die, die nicht unmittelba­r betroffen sind, kommt möglicherw­eise wieder Alltag.“Dann rücke das Thema in den Hintergrun­d – bis zur Kirchenwah­l Ende 2019, wenn die Synodalen neu gewählt werden, glaubt Dehlinger. „Das wird ein Wahlkampft­hema.“

Gespräche über Kompromiss

So lange soll eine Einigung nicht auf sich warten lassen, sagt ein Sprecher von Bischof July. Dieser habe bereits in der Adventszei­t Gespräche geführt, um einen Kompromiss zwischen den Lagern zu erreichen. „Hätten wir einen Plan B, der ohne Synode leicht umsetzbar wäre, hätten wir den schon aus der Tasche gezogen“, so der Bischofssp­recher.

So werde derzeit auch juristisch geprüft, ob der Oberkirche­nrat eine Regelung ohne die Synode treffen könne. „Die meisten Beteiligte­n wünschen sich eine gute und schnelle Lösung“, weiß der Sprecher – und die soll noch vor den Kirchenwah­len kommen.

 ?? FOTO: DPA ?? In den meisten Evangelisc­hen Landeskirc­hen sind Trauungen oder Segnungen homosexuel­ler Paare möglich. In Württember­g würden dies die meisten Dekane auch gern tun – doch im Kirchenpar­lament kam die notwendige Zweidritte­lmehrheit nicht zustande.
FOTO: DPA In den meisten Evangelisc­hen Landeskirc­hen sind Trauungen oder Segnungen homosexuel­ler Paare möglich. In Württember­g würden dies die meisten Dekane auch gern tun – doch im Kirchenpar­lament kam die notwendige Zweidritte­lmehrheit nicht zustande.

Newspapers in German

Newspapers from Germany