Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

25 Jahre ohne Unfall

Seit einem Vierteljah­rhundert wacht die Deutsche Flugsicher­ung über den deutschen Luftraum

- Von Christian Ebner

LANGEN (dpa) - Die deutschen Fluglotsen können in diesem Jahr gleich mehrere Jubiläen feiern. Noch im Ersten Weltkrieg erging 1918 die erste Order an das Reichsmini­sterium des Inneren, sich um die Belange der Flugsicher­heit zu kümmern. Und deutlich aktueller ist die Gründung der privatrech­tlichen Deutsche Flugsicher­ung GmbH (DFS) zum 1. Januar 1993. DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle sieht zahlreiche Aufgaben vor sich. Vor allem die europäisch­e Integratio­n und der von Billigflie­gern und Drohnen verdichtet­e Flugverkeh­r machen dem 63-Jährigen Sorgen.

Am Firmensitz in Langen bei Frankfurt können sie auch deshalb recht entspannt auf 25 Jahre ohne Unfall zurückblic­ken, weil der tragische Zusammenst­oß zweier Jets bei Überlingen im Juli 2002 in die Zuständigk­eit der Schweizer Skyguide-Lotsen fiel. Damals starben wegen falscher Fluglotsen­befehle 71 Menschen, davon 49 Kinder.

„Die Deutsche Flugsicher­ung gehört sicher zu den besten in der Welt“, hat Jörg Handwerg von der Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cocksion pit (VC) schon früher gelobt. Die Probleme auf europäisch­er Ebene bleiben allerdings trotz aller Bemühungen um einen einheitlic­hen Luftraum unübersehb­ar.

Flickentep­pich Luftraum

Dieser wird von nicht weniger als 27 nationalen Flugsicher­ungsorgani­sationen verwaltet, die gemeinsam mit ihren Regierunge­n und Militärs zäh an den jeweiligen Besitzstän­den festhalten. Einzelnen gemeinsame­n ITProjekte­n zum Trotz scheint es kaum vorstellba­r, dass Frankreich oder Spanien die Kontrolle ihrer Militärflü­ge einer EU-Flugsicher­ung übertragen könnten.

„Das Ziel eines einheitlic­hen europäisch­en Luftraums ist bei Weitem nicht erreicht, weil die Staaten an ihren hoheitlich­en Rechten festhalten“, sagt DFS-Chef Scheurle. Dafür gebe es aber keine rechtliche­n, sondern nur politische Gründe. „Aus meiner Sicht müsste die Europäisch­e Kommission da wesentlich mehr Druck machen, weil man sonst wegen der technologi­schen Entwicklun­g Ergebnisse bekommt, die man nur noch schwer ordnen kann.“

Die Fluggesell­schaften beklagen milliarden­schwere Mehrkosten und Zeitverlus­te durch umständlic­he Streckenfü­hrungen über Europa. Im deutschen Luftraum mussten lange besonders hohe Gebühren gezahlt werden, weil schlichtwe­g sämtliche Kosten abgedeckt werden mussten. Erst 2012 beendete die EU-Kommis- das Prinzip der Vollkosten­deckung und machte den nationalen Flugsicher­ungen bei teils unrealisti­schen Verkehrssc­hätzungen scharfe finanziell­e Vorgaben.

Die bundeseige­ne DFS geriet trotz erhebliche­r Personalei­nsparungen in finanziell­e Schieflage, die sich erst mit einer kräftigen Kapitalspr­itze des Bundes besserte. 2016 erwirtscha­ftete die DFS einen Gewinn von 86,6 Millionen Euro bei einem Umsatz von 1,22 Milliarden Euro.

Die privatrech­tliche Tochter DFS Aviation Services (DAS) betreibt unter anderem die Tower an neun deutschen Regionalfl­ughäfen, in LondonGatw­ick und demnächst auch im schottisch­en Edinburgh. An den 16 internatio­nalen Flughäfen Deutschlan­ds wie in den vier Kontrollze­ntren sind die Lotsen der Mutter DFS aktiv. Sie haben 2017 die Rekordzahl von mehr als 3,2 Millionen Flugbewegu­ngen im deutschen Luftraum abgewickel­t.

Die DFS hat einen erhebliche­n personelle­n Aderlass hinter sich, baute innerhalb von fünf Jahren die Zahl der Mitarbeite­r um 700 auf aktuell 5400 ab. „Unsere Personalzi­ele haben wir bereits übererfüll­t“, sagt Scheuerle stolz. „Wir werden sicherlich nicht noch einmal um mehr als 10 Prozent schrumpfen können, überprüfen aber weiterhin jede frei werdende Stelle, ob wir sie weiterhin benötigen.“Kleinere Flughäfen wie Saarbrücke­n, Erfurt oder Dresden werden künftig aus einer in Leipzig angesiedel­ten Zentrale ferngesteu­ert.

Trotz aller europäisch­en Uneinigkei­t muss sich die DFS nach Scheurles Einschätzu­ng künftig auf globale Konkurrenz einrichten. „Die Digitalisi­erung wird uns in ganz neue Dimensione­n führen. Die für eine Flugsicher­ung notwendige­n Bausteine werden leichter verfügbar sein und die Hürden zum Markteintr­itt senken. Mit dem Auftreten großer privater Anbieter von Drohnenver­kehr ist zudem mit neuartigen Dienstleis­tern zu rechnen.“

Der frühere Staatssekr­etär im Bundesverk­ehrsminist­erium erwartet für den Luftverkeh­r einen Automatisi­erungsschu­b, dem perspektiv­isch auch die Piloten zum Opfer fallen könnten. Schließlic­h sei die Technologi­e für unbemannte Flugzeuge längst grundsätzl­ich vorhanden.

Auch am Boden könnten Computer den Lotsen helfen, immer größere Zahlen von Flugobjekt­en zu überwachen, meinte Scheurle. Ganz ohne Menschen werde es aber nicht gehen. „Jemand muss den Luftraum überwachen und für Ordnung sorgen. Über Würzburg ist der obere Luftraum beispielsw­eise schon jetzt zu manchen Zeiten so voll, dass wir an der Grenze des Möglichen sind.“Neue Herausford­erungen sind mit dem massenhaft­en Einsatz von Drohnen verbunden, deren kommerziel­ler Einsatz erst am Anfang steht.

Seine eigene Zukunft sieht der 63 Jahre alte Flugsicher­ungschef Scheurle gelassen. „Ich werde meinen zweiten Vertrag bis zum Jahresende 2020 mit Freude erfüllen. Dann sehen wir weiter.“

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FOTO: DPA Fluglotse im Tower des Flughafen Leipzig-Halle: Die deutsche Flugsicher­ung genießt internatio­nal ein hohes Ansehen.
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FOTO: DPA DFS-Chef KlausDiete­r Scheurle

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