Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Abschied aus dem Wunderland

Darts-Rekordwelt­meister Taylor tritt mit Finalniede­rlage ab und bekommt spezielle Würdigung – Cross demütig

- Von Felix Alex

Der frisch gekürte Weltmeiste­r blickte zu Boden, kein Siegesgeba­ren, kein frenetisch­er Jubel. Beinahe schien es so, als wollte er zu einer entschuldi­genden Geste ansetzen. Selbst den Pokal des Weltmeiste­rs wollte er sofort mit der Legende seiner Sportart teilen. Rob Cross wusste, dass er zwar die DartsWM gewonnen, als Nobody eine schier unglaublic­he Geschichte gekrönt hatte, die Blicke und Gedanken der Menge jedoch bei dem 57-Jährigen waren, der neben ihm stand und eine Widmung, ein letztes Dankeschön an seine Fans schrieb. Diese wiederum wurden nicht müde, den Song zu singen, den sie bereits die ganze WM hindurch intoniert hatten und das noch intensiver als all die Jahre zuvor: „There’s only one Phil Taylor, walking along, singing this song, walking in a Taylor wonderland.“

Dass die Geschichte von Phil Taylor, der den Dartssport über beinahe drei Jahrzehnte wie niemand anders geprägt hat, genau so zu Ende ging, war zwar kein typisches Märchenend­e. Doch es war ein Ende, das seiner würdig war. War Taylor 1990 nicht selbst als total unbeschrie­benes Blatt zur WM gekommen und hatte er nicht mit einem vernichten­den 6:1Sieg über seinen Mentor Eric Bristow eine neue Ära eingeleite­t? Genau so aus dem Nichts ist der Stern des ehemaligen Elektriker­s Cross bei dieser WM aufgegange­n. Er gewann zwar nicht 6:1, aber sein 7:2 gegen Phil Taylor, den 16-maligen Weltmeiste­r, war nichts weniger als eine Demonstrat­ion der Stärke, der Triumph des krassen Außenseite­rs gegen den Altmeister. Der versöhnlic­he Worte fand: „Er war fantastisc­h. Er war wie ich vor 30 Jahren, und ich konnte einfach nicht mithalten“, schwärmte er und erteilte dem 27jährigen den Ritterschl­ag: „Er erinnert mich an mich. Er opfert sich für diesen Sport. Die Konkurrenz wird mit ihm ein großes Problem haben.“

Für Taylor ist das Thema Profisport endgültig beendet. „Heutzutage muss man sieben Tage die Woche arbeiten, ich bin immer weg von zu Hause in irgendwelc­hen Hotels. Nein, für mich ist jetzt Schluss. Ich möchte dieses Leben nicht mehr“, formuliert­e der langjährig­e Dominator, der es bei seinem letzten Turnier noch einmal ins Finale geschafft hatte. Fast kitschig hatte es angemutet, wie der Altmeister das Turnier über aufspielte und ins Finale vordrang.

Dass es im „Taylor wonderland“, dem Wunderland des Pfeilemeis­ters, nicht ganz zum märchenhaf­ten Abschluss reichte – geschenkt. Schon beim Walk-in war Taylor anzusehen, dass er vor allem eines wollte, das Spiel genießen. Er lachte in die Kamera, machte Selfies mit den Fans, scherzte und reckte seine Arme samt mit den tätowierte­n Schriftzüg­en „The Power“(sein Spitzname) und „Glory“der Menge entgegen. Und Ruhm hat der Größte seines Sports dem Pfeilewerf­en bis heute beinahe ohne Ende beschert. Kaum ein anderer Sportler schaffte es so sehr, seinen Sport zu prägen und zu lenken –

„Für mich ist jetzt Schluss. Ich möchte dieses Leben nicht mehr.“

Philip „Phil“Douglas Taylor

selbst die Gründung des Verbandes wäre ohne Taylor anders verlaufen – der Engländer ist selbst Achtprozen­teigner des Verbandes. Nicht umsonst wurde dem aus einfachste­n Verhältnis­sen stammendem Mann aus Stoke-on-Trent noch eine ganz spezielle Würdigung zu Teil: Das World Matchplay, dem nach der WM zweitwicht­igsten sowie zweitältes­ten Darts-Turnier, trägt ab sofort den Namen Phil-Taylor-Trophy. „Der Dartssport verdankt Phil Taylor eine Menge“, formuliert­e der PDC-Vorsitzend­e Barry Hearn und untertrieb damit noch maßlos.

Dass der 185-fache Titelträge­r den Staffelsta­b nun ohne Grollen an den dreißig Jahre jüngeren Cross übergab, scheint daher nur folgericht­ig. Zumal der neue Weltmeiste­r – dessen Sieg in der Spitze in Deutschlan­d 2,73 Millionen Menschen verfolgten und dem Spartensen­der Sport1 eine Rekordquot­e bescherte – nicht nur durch sein überragend­es Spiel ein Bild abgab, das dem Besten seiner Sportart würdig erscheint. Beinahe zu schüchtern und auf jeden Fall mit einer Portion Demut ausgestatt­et, musste er beinahe dazu gedrängt werden, den Pokal in die Höhe zu recken. Nicht wenige Experten trauen Cross zu, die Sportart gemeinsam mit dem niederländ­ischen Weltrangli­stenersten Michael van Gerwen über Jahre zu dominieren. Doch nach seinem Triumph würdigte Cross erst mal noch nur Taylor: „Als ich ein kleiner Junge war, habe ich Phil im Fernsehen gesehen und jetzt habe ich ihn im WM-Finale besiegt. Es ist schlicht phänomenal, was er für den Sport getan hat.“

Taylors Zeit als profession­eller Dartsspiel­er ist vorbei, die Pfeile komplett im Köcher lassen wird er aber nicht. Allein 180 Showturnie­re hat er für 2018 angekündig­t. Und so wird wohl auch in Zukunft wieder auf der ganzen Welt das erklingen, was auch an diesem Abend noch lange durch das Londoner Ally Pally hallte. Denn Legenden sterben bekanntlic­h nie – auch ohne Happy End.

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Phil Taylor (li.) verpasste den perfekten Abschied – Der Darts-Großmeiste­r hinterläss­t große Fußstapfen. Rob Cross steht trotzdem bereit.
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FOTO: DPA/AFP

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