Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Haare ab – für kranke Kinder

Friseurin Olivia Bucher sammelt Haarspende­n, aus denen Kinderperü­cken hergestell­t werden

- Von Corinna Konzett

Friseurin sammelt Haarspende­n für Kinderperü­cken.

FRIEDRICHS­HAFEN - Ein Schnitt und schon hält die Friseurin eine 30 Zentimeter lange Haarsträhn­e in der Hand. Plötzlich sind die Haare ihrer Kundin, ihrer Schwägerin Selina Bucher, nur noch schulterla­ng. Ihren langen Haaren trauert die 24-Jährige aber kein bisschen nach, denn sie spendet ihre Haare an kranke Kinder, die selbst keine Haare mehr haben.

Im vergangene­n Jahr stieß Olivia Bucher, Chefin des gleichnami­gen Friseursal­ons in Friedrichs­hafen, im Internet auf die Aktion „Die Haarspende­r“. Der Verein aus Wien sammelt Haarspende­n und stellt Kindern, die ihre Haare verloren haben, kostenlos eine maßgeferti­gte Perücke zur Verfügung. Viele der Kinder leiden an Krebs und haben ihre Haare durch eine Chemothera­pie verloren. Einige haben aber auch die Krankheit Kreisrunde­r Haarausfal­l, bei der der Körper alle Haare, also auch Wimpern und Augenbraue­n, abstößt. „Man kann sich nicht vorstellen, was das bedeutet, wenn man keine Haare mehr hat. Viele Kinder haben Angst davor, sich im Spiegel anzuschaue­n“, erzählt Olivia Bucher. Als sie von der österreich­ischen Aktion gehört hat, wollte sie sofort dabei sein und auch ihren Beitrag leisten.

Kinderfreu­de als Lohn

Der Wiener Holger Thomas Möller hat den Verein „Die Haarspende­r“2016 gegründet. Um sich dem ehrenamtli­chen Verein komplett widmen zu können, hat er sich eine berufliche Auszeit genommen. „Die Haarspende­n zu sammeln, ist ein 60 Stunden Job, den ich aber eher als Berufung sehe. Da wäre im Moment keine andere Tätigkeit nebenbei möglich“, erklärt Möller. Für ihn sei es das schönste Gefühl, das er sich vorstellen könne, einem Kind seine Perücke zu übergeben. „Es ist einfach unbeschrei­blich, wenn das Kind strahlt und mit Tränen in den Augen sagt: ,Ich sehe aus wie früher’“, erzählt er.

Für eine Perücke brauchen „Die Haarspende­r“drei bis vier Zöpfe, wie den von Selina Bucher. Sie ist glücklich, dass sie mit ihren Haaren anderen eine Freude machen kann. Die 24-Jährige arbeitet als Erzieherin in einem Kindergart­en und spürt täglich, wie wichtig Kindern ihre Frisur ist. „Haare sind ein echt großes Thema, schon bei den Kleinsten“, sagt Selina Bucher. Sie will einem kranken Kind die Chance bieten, stolz auf seine Haare zu sein. Glücklich hält sie ihren Zopf in der Hand. Olivia Bucher wird die Strähnen nun trocknen und später an „Die Haarspende­r“nach Österreich schicken.

Aktion immer bekannter

Neben den Haarspende­n benötigt der Verein von Holger Thomas Möller auch Geldspende­n, denn die Herstellun­g einer Perücke kostet mindestens 360 Euro. „Dass der Verein den Kindern die Perücke schenkt, ist genial“, sagt Olivia Bucher. Denn eine maßgeferti­gte Echthaarpe­rücke kann bis zu 3 000 Euro kosten. 38 Perücken konnte die Organisati­on bisher an Kinder in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz verschenke­n. Immer mehr Haarspende­n erreichen Holger Thomas Möller. Momentan sind es zwischen 100 und 150 Zöpfe im Monat, die dann nach und nach zu Perücken verarbeite­t werden.

Voraussetz­ungen für Spender

Doch nicht jeder kann seine Haare spenden. Der Spender darf nicht älter als 40 Jahre alt sein. „Im Alter verändert sich die Haarstrukt­ur. Wenn man Haare von älteren Spendern verwenden würde, würde das bei Kindern komisch aussehen“, erklärt Olivia Bucher. Außerdem hätten Haare von Menschen über 40 Jahren oft einen zu hohen Grauanteil für Kinderperü­cken. Die gespendete­n Haarsträhn­en müssen mindestens 27 Zentimeter lang sein. „Das klingt sehr lang. Allerdings gehen ungefähr

ANZEIGE sieben Zentimeter beim Knüpfen der Perücken verloren“, sagt Olivia Bucher. Viele Kinder wünschen sich lange Haare. Dafür werden Spenden von 40 Zentimeter­n oder länger benötigt. Allen, die ihre Haare spenden möchten, empfiehlt Olivia Bucher sich in einem teilnehmen­den Friseur-Salon beraten zu lassen, ob die Haare geeignet sind. Wer seine Haare im Salon von Olivia Bucher spendet, bekommt den Schnitt umsonst.

Selina Bucher sieht sich im Spiegel an und lächelt. So kurz hat sie die Haare noch nie getragen. Welches Kind ihre Haare bekommt, darüber wird Selina Bucher nicht informiert. Dafür wäre der organisato­rische Aufwand für „Die Haarspende­r“zu groß. Obwohl Selina Bucher nicht genau erfahren wird, wer ihre Haare bekommt, verlässt sie den Salon mit dem Gefühl, mit ihrem Friseurbes­uch einem Kind ein Lächeln ins Gesicht gezaubert zu haben.

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FOTO: COKO
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Selina Bucher hält ihre Haarspende stolz in der Hand. Olivia Bucher hat ihr einen schicken Long Bob verpasst.
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FOTOS: COKO Von mindestens 27 Zentimeter der Haare muss sich ein Haarspende­r trennen.

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