Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schatten über dem Erfolgsmann
Schwere Vorwürfe gegen Dieter Wedel – Regisseur weist Anschuldigungen zurück
BERLIN (dpa) - Er ist einer der bekanntesten deutschen Regisseure. Doch Dieter Wedels Bild in der Öffentlichkeit droht jetzt nach Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe Schaden zu nehmen. Drei Schauspielerinnen haben gegen den 75-Jährigen im „Zeit-Magazin“schwere Vorwürfe erhoben, teilweise mit eidesstattlichen Erklärungen. Wedel selbst weist die Beschuldigungen, seinerseits in einer eidesstattlichen Erklärung, zurück. Die Sender ARD und ZDF und der Bürgermeister der Festspielstadt Hersfeld stellen sich hinter den Regisseur.
Wedel drehte im Jahr 1997 unter anderem das monumentale sechsteilige Sat.1-Werk „Der König von St. Pauli“mit Starbesetzung und Starbudget: 27,5 Millionen Mark kostete das Drama. Wer so viel Geld bewegt, hat auch Macht Schauspielerin Jany Tempel (heute 48), mittlerweile nicht mehr im Geschäft, berichtet im „Zeit-Magazin“, dass sie 1996 während der Castingphase von Wedel „mit aller Wucht“zum Sex gezwungen worden sei. Kollegin Patricia Thielemann erzählt von einem ähnlichen Vorfall aus dem Jahr 1991. Auch eine dritte Schauspielerin, die ihren Namen nicht nennen möchte, schildert, dass sie Opfer geworden sei.
Wedels Anwalt Michael Philippi erklärte in einer Pressemitteilung auf der Seite der Bad Hersfelder Festspiele, „dass die offenbar von mehreren Schauspielerinnen gegen ihn erhobenen Vorwürfe unzutreffend und nicht gerechtfertigt sind.“
Das Fass zum Überlaufen könnte auch eine Aussage Wedels selbst gebracht haben. In einem Interview mit dem Sender Hitradio FFH sagte er am 22. November: „Auch Männer sind Übergriffen ausgesetzt. Als ich ans Theater kam, wurde ich immer für schwul gehalten. Homosexuelle Regisseure und Schauspieler haben mich mächtig unter Druck gesetzt.“Zudem ergänzt Wedel, der sechs Kinder von sechs Frauen hat: „Schauspielerinnen sind unter einem großen Druck. Sie können die Julia nicht mit 30 spielen, die müssen sie mit 25 spielen. Und plötzlich ist da einer, und der kann ihnen die Julia geben. Aber sie müssen ein bisschen lieb sein. Furchtbar, widerlich, schrecklich.“
Ein von allen gestütztes System
Vom „Zeit-Magazin“zu Wedel befragt, betonte Corinna Harfouch: „Viele haben gewusst, dass Wedel Schauspielerinnen schlecht behandelt und demütigt. Das war ein von allen gestütztes System.“In dem Artikel heißt es, alle drei Frauen betonten, „dass es ihnen nicht darum gehe, einen prominenten Mann wie Dieter Wedel nachträglich in Verruf zu bringen, sondern den Machtmissbrauch offenzulegen und damit die Mechanismen der Filmbranche zu verändern“.
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, fordert eine zentrale Beschwerdestelle: „Über die sprichwörtliche ,Castingcouch’ ist viel zu lange geschmunzelt worden“, erklärte Lüders. Der Bundesverband Schauspiel und ein Netzwerk von Branchenorganisationen, darunter die Deutsche Filmakademie, planen seit einiger Zeit, eine solche überbetriebliche Stelle einzurichten.