Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Führungskr­ise bei ZF

Vorstandsc­hef Sommer und Chefkontro­lleur Behr gehen

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Prognosen, Produkte, Perspektiv­en – alles top bei ZF. Trotzdem manövriert sich der drittgrößt­e Autozulief­erer der Welt im Jahr 2017 in eine echte Führungskr­ise. Am Ende muss Vorstandsc­hef Stefan Sommer gehen. Was hinter den Kulissen passiert ist, bleibt zumindest teilweise offen.

Im Frühjahr meldet Sommer einen Rekordumsa­tz von über 35 Milliarden Euro für 2016. Für das laufende Jahr ist von 37 Milliarden die Rede. Die Integratio­n des US-Konzerns TRW ist – nach Einschätzu­ng des Vorstands – weitgehend gelungen, die Schulden, die für den Deal aufgehäuft werden mussten, werden schneller zurückbeza­hlt als geplant.

Eigentlich alles in Butter, sollte man meinen. Doch hinter den Kulissen spitzt sich ein Konflikt zu, der am Ende wie ein Machtkampf um den künftigen Kurs des Konzerns mit knapp 140 000 Mitarbeite­rn weltweit aussieht. Auslöser ist wohl der Plan des Vorstands um dessen Vorsitzend­en Sommer, den Bremsenher­steller Wabco zu übernehmen. Dessen Produkte würden ein Loch im Angebot von ZF schließen und den Weg vom Teileliefe­ranten zum Systemanbi­eter für Pkw und Lkw beschleuni­gen. Problem: Der Deal kostet viel Geld. Zu viel Geld, sagt der Aufsichtsr­at und stoppt die Pläne.

Interview in der „Schwäbisch­en“

Welche Aufsichtsr­äte sich für und welche gegen Sommers Pläne stellen, bleibt – wie so vieles bei dieser Geschichte – unklar. Anscheinen­d fühlt sich Sommer vor allem vom Hauptgesel­lschafter der ZF, der von der Stadt Friedrichs­hafen und deren Oberbürger­meister, Andreas Brand, geführten Zeppelin-Stiftung, gegängelt oder behindert. In einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“spricht er in deutlichen Worten über mögliche Probleme der Zusammenar­beit der Führungsgr­emien des Konzerns und von der Gefahr einer Einmischun­g der Kommunalpo­litik. Die reagiert leise, aber deutlich. OB und Ratsfrakti­onen widersprec­hen. All dies passiert, ohne dass die Öffentlich­keit weiß, dass Wabco für ZF ein Thema ist.

Das wird nach einem US-Presseberi­cht deutlich. Als dann auch noch bekannt wird, dass die Stadt die Dividenden­systematik verändert und künftig etwa dreimal so viel Geld von ZF haben will wie bisher, um einen Vermögenss­tock für die Stiftung aufzubauen, eskaliert die Lage. Beide Seiten verbreiten vor allem unter der Hand ihre Sicht der Dinge, Aufsichtsr­atschef Giorgio Behr, ein Verbündete­r Sommers, kritisiert im „Handelsbla­tt“die Stadt. Er tritt zurück und wird durch den Ex-Audi-Chef FranzJosef Paefgen ersetzt.

Nur ein paar Tage später wird bekannt, dass auch Sommer seinen Stuhl räumt. Finanzvors­tand Konstantin Sauer übernimmt übergangsw­eise, ein neuer Chef soll im Januar vorgestell­t werden. Ob dann Ruhe einkehrt bei ZF oder die Diskussion über das Zusammensp­iel von Vorstand, Aufsichtsr­at und Eigentümer anhält, wird nicht nur die 9000 ZFler in Friedrichs­hafen interessie­ren.

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