Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Strafe muss sein

- Von Heike Kleemann

Das war jetzt schon der erste Schock im neuen Jahr. Dass sich meine Kollegen an Pralinen vergreifen, die in meinem Postfach auf mich warteten, hat mich hart getroffen. Hätte ich das jemals von ihnen gedacht? Bei näherem Überlegen – ja, absolut, besonders einem traue ich das jederzeit zu. Namen nenne ich nicht, ich will ja niemanden zu Unrecht verdächtig­en, sind doch alles „Unschuldsl­ämmer“. Ob ich ihnen jemals verzeihen kann, haben sie durch einen Mittelsman­n fragen lassen – denn seine Schuld namentlich gestanden hat natürlich immer noch niemand. Habe ich Verständni­s für so urmenschli­che Eigenschaf­ten wie nackte Gier? Selbstvers­tändlich nicht, jedenfalls nicht bei anderen, dazu bin ich selbst viel zu gierig, und nur deshalb habe ich ja rumgeheult, wieso alle Kollegen Pralinen bekommen haben, nur ich nicht – bis mich ein unbeteilig­ter Zeuge aufklärte.

Aber gut, die Großpackun­g der allerlecke­rsten Pralinen, die ich nun auf meinem Schreibtis­ch gefunden habe – wieder anonym – hat mich tatsächlic­h etwas versöhnt. Unterm Strich habe ich eindeutig das bessere Geschäft gemacht: Die ursprüngli­che Pralinenpa­ckung war viel kleiner. Nur abgeben werde ich dieses Mal nix, gar nix, nicht den kleinsten Schokostre­usel. Strafe muss sein. Und nächstes Jahr, liebe Unschuldsl­ämmer, könnt Ihr eigentlich gleich die kleine Packung haben und mir die extragroße hinstellen. Danke!

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