Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
ZFler streiken für mehr Flexibilität
IG Metall fordert mehr Lohn und die Möglichkeit, nur 28 Stunden pro Woche zu arbeiten
FRIEDRICHSHAFEN - Viele Mitarbeiter bei ZF in Friedrichshafen haben gestern ihre Arbeit niedergelegt. Damit folgten sie der Aufforderung der IG Metall, sich zu Kundgebungen zu versammeln. Die Gewerkschaft will so den Druck auf die laufenden Tarifrunden der Metall- und Elektroindustrie erhöhen. Sie fordert eine Lohnerhöhung von sechs Prozent und die Möglichkeit, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf 28 Stunden pro Woche zu reduzieren – und droht mit neuen Streiks.
Rund 400 Mitarbeiter versammelten sich um 11 Uhr vor Werk 1, um den Ansprachen von Betriebsrat Roberto Salerno und Helene Sommer, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen, zuzuhören. Parallel dazu lief vor der Halle 9 im Werk 2 auf dem ZF-Gelände eine weitere Aktion der IG Metall, insgesamt sollen laut IG Metall rund 1500 ZF-Mitarbeiter an dem Streik teilgenommen haben. Auch an anderen Standorten von ZF streikten die Beschäftigten, so in Saarbrücken, Schweinfurt, Gelsenkirchen, Witten, Ahrweiler und Eitorf. Am heutigen Mittwoch sowie morgen werden mutmaßlich noch die Standorte Passau, Dielingen und Osnabrück hinzukommen.
„Wir wollen mehr Lohn und eine Arbeitszeit, die zum Leben passt“, sagte Salerno bei der Kundgebung in Friedrichshafen. Die Auftragsbücher seien so voll wie seit 20 Jahren nicht mehr, ZF werde im April einen Rekordgewinn verzeichnen können, trotzdem seien die Arbeitgeber bisher nicht auf die Tarifverhandlungen eingegangen. „Alle machen sich die Taschen voll mit dem, was wir jeden Tag erarbeiten. Wir brauchen das Geld für unseren Unterhalt, deshalb ist die Erhöhung nur gerechtfertigt“, sagte Salerno.
Das sieht auch Helene Sommer so. „Es läuft in der Industrie, wir Arbeitnehmer müssen uns nicht zurückhalten“, sagte sie. Es sei lächerlich, dass die Arbeitgeber der Tariferhöhung bisher nicht zugestimmt haben und diese Entscheidung damit begründen, dass sie nicht wissen, wie es in Zukunft in der Branche weitergehen werde. „Die Forderung nach sechs Prozent ist deshalb eine gute Forderung.“
Rechtsanspruch steht im Fokus
Neben einer Gehaltserhöhung fordert die Gewerkschaft auch flexiblere Arbeitszeiten. „Uns geht es dabei nicht darum, eine 28 Stundenwoche einzuführen, sondern um den Rechtsanspruch, die Anzahl der Wochenstunden zu verringern, wenn der Arbeitnehmer dies braucht“, sagte Sommer. Wer in einer Lebensphase sei, in der er weniger arbeiten möchte, solle dazu auch die Möglichkeit haben. „Das soll unabhängig davon geschehen, ob es dem Betrieb passt. Wir machen schließlich auch die Mehrarbeit dann, wenn die Sonne scheint“, sagte Sommer.
Bei den Mitarbeitern bei ZF kamen die Ansprachen von Salerno und Sommer an. Sie applaudierten immer wieder und unterstrichen die Forderungen mit Pfiffen. „Jeder soll frei entscheiden können, wie viel er arbeiten möchte“, sagte Dominik Gennat, der im Versand von ZF arbeitet. Deshalb habe er sich an dem Streik beteiligt. Optimistisch ist ZFInformatiker Ingo Weissmann: „Wir werden unsere Forderungen durchbekommen“, sagte er.
Die Arbeitgeberseite sieht das anders. „Warnstreiks und Arbeitsniederlegungen gefährden die Wirtschaftskraft der deutschen Automobilindustrie, die ihren größten Umbruch erlebt und massiv in Zukunftstechnologien investiert“, sagte ein Sprecher von ZF in einer Stellungsnahme. Zugleich müsse sie den Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung bewältigen. „Es ist nicht zielführend, jetzt Druck auf Verhandlungen zu machen, die noch gar nicht richtig begonnen haben, denn solche Aktionen schädigen am Ende alle in unserer Industrie: Zulieferer, Hersteller, Verbraucher und auch die Mitarbeiter“, heißt es von ZF weiter.
Am Donnerstag stehen die nächsten Verhandlungen an. Sommer ist nicht allzu optimistisch. „Es geschehen vielleicht noch Zeichen und Wunder, aber es ist unwahrscheinlich, dass wir so schnell zu einer Einigung kommen.“, sagte sie. „Wenn am Donnerstag nichts bei den Gesprächen herauskommt, müssen wir wohl nochmal auf die Straße.“
Ein Video zu dem Streik bei ZF gibt es im Internet unter