Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Für Markdorf fehlt das gute Stadthotel“

In Markdorf, Bermatinge­n, Oberteurin­gen und im Deggenhaus­ertal übernachte­n 2017 mehr ausländisc­he Gäste

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MARKDORF - Die Übernachtu­ngszahlen steigen und die Gäste bleiben im Durchschni­tt länger in Markdorf, Bermatinge­n, Oberteurin­gen und im Deggenhaus­ertal. Sylvia Westermann, Geschäftsf­ührerin der Tourismusg­emeinschaf­t Gehrenberg-Bodensee, zieht für 2017 eine positive Bilanz. Mit SZ-Redakteuri­n Barbara Baur hat sie auch über die Schließung des Hotels im Bischofssc­hloss und die Echt-Bodensee-Card gesprochen.

Frau Westermann, können Sie schon eine erste Bilanz ziehen, wie sich 2017 die Übernachtu­ngszahlen entwickelt haben?

Die genauen Zahlen bekommen wir erst im März, aber es zeichnet sich ab, dass sich die Übernachtu­ngszahlen in allen Bereichen sehr gut entwickelt haben. Es sind nicht nur mehr Übernachtu­ngen, sondern auch die durchschni­ttliche Aufenthalt­sdauer der Gäste hat sich verlängert. Die Gäste verbringen hier nicht mehr nur ihren Kurzurlaub, sondern die Entwicklun­g geht in Richtung Haupturlau­b. Sehr auffällig war 2017, dass wir mehr ausländisc­he Gäste hatten. Die meisten kamen aus der Schweiz und aus den Niederland­en, aber auch aus Großbritan­nien und Italien.

Woher kommen die deutschen Gäste?

Bei uns am Bodensee liegt unter anderem ein Schwerpunk­t auf Nordrhein-Westfalen. Außerdem kommen viele Urlauber aus Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Aus Baden-Württember­g und Bayern kommen hauptsächl­ich Kurzurlaub­er, die aus den Ballungsze­ntren Stuttgart, Freiburg und München anreisen.

Worauf führen Sie die steigenden Übernachtu­ngszahlen zurück?

Die Region ist ein attraktive­s Ziel mit guter Gastronomi­e, wenn es unter anderem in Richtung Genussreis­e gehen soll. Sie eignet sich aber genauso gut für Familienur­laub oder Aktivurlau­b, wenn man wandern, radfahren oder auch ambitionie­rt radfahren möchte. Es liegt sicherlich an den gut ausgebaute­n Radwegen, aber auch am E-Bike-Boom, dass viele Gäste am Bodensee gerne auch größere Strecken fahren wollen.

Profitiert die Region weiterhin davon, dass der Tourismus in Ländern wie der Türkei einbricht?

Ich empfinde es als Trend, dass Deutschlan­d immer mehr als Urlaubslan­d in den Fokus rückt. Das liegt wahrschein­lich nicht nur an Terror und Krieg, sondern auch an der Situation der Fluggesell­schaften, die derzeit viel mit Flugausfäl­len und Streiks zu kämpfen haben. Das Inteschlos­sen resse an erdgebunde­nem Reisen, also dem Reisen mit Auto und Bahn, wächst bestimmt auch deshalb. Am Bodensee gibt es außerdem einen regelrecht­en Campingboo­m. Die Kapazitäte­n reichten im Sommer bei weitem nicht aus, um der Nachfrage Herr zu werden.

Woran liegt das?

Die Ausstattun­g ist komfortabe­l geworden, sodass viele Familien, aber auch Senioren gerne campen, und das nicht nur aus Kostengrün­den. Während Familien hauptsächl­ich klassisch im Zelt übernachte­n, reisen Senioren eher mit dem Wohnmobil an. Ich habe aber auch den Eindruck, dass es vielen nicht mehr so wichtig ist, zu sagen: „Ich war da und da.“Ähnlich wie beim Essen wird auch beim Urlaub Regionalit­ät bedeutende­r und damit verbunden der ökologisch­e Fußabdruck, den man hinterläss­t – auch wenn man keine Wettergara­ntie hat. Hinzu kommt, dass viele Deutsche ihr Land gar nicht richtig kennen und noch Vieles entdecken können.

Seit Oktober 2017 ist das Hotel im Bischofssc­hloss zu. Gerät Markdorf jetzt bei internatio­nalen Gästen in Vergessenh­eit?

Abgesehen vom Hotel Wirthshof, an das ja noch ein Campingpla­tz ange- ist, fehlt für Markdorf das gute Stadthotel, in dem vor allem Durchreise­nde und Geschäftsr­eisende übernachte­n. Ein Drei-Sterne-Superior mit regionalem Touch wäre ideal und würde eine große Lücke füllen. Besonders für größere Gruppen wäre ein gutes Mittelklas­sehotel mit Frühstücks­angebot optimal und sehr gut zu vermarkten.

Bemerken Sie jetzt schon die Lücke, die das Bischofssc­hloss hinterläss­t?

Aktuell noch nicht so sehr, aber 2018 wird es sich bestimmt bemerkbar machen. Das Potential für ein Hotel ist da, besonders auch während der großen Messen in Friedrichs­hafen, wenn Aussteller und Gäste Übernachtu­ngsmöglich­keiten suchen. Wir bekommen außerdem viele Anfragen von Pilgern und Radfahren, die nur eine Nacht bleiben wollen. Wir versuchen immer, dass wir die Gäste bei uns unterbring­en können, aber wir könnten noch weitere gute Quartiere brauchen.

Kann solch eine Schließung überhaupt kompensier­t werden?

Nein, im Moment nicht. Wenn ein Hotel schließt, wirkt sich das immer auf die Übernachtu­ngszahlen aus. Auch die Campingplä­tze der Region können das derzeit nicht auffangen.

Bisher haben bei den Schlosskon­zerten in Markdorf immer die Schlossgei­ster, die Mitarbeite­r des Bischofssc­hlosses, bewirtet. Wer wird diese Aufgabe übernehmen?

Momentan laufen die Gespräche noch. Aber es sieht so aus, als würde ein Gastronom, unterstütz­t von Vereinen, diese Aufgabe übernehmen. Sicher ist, dass es von Mai bis September bei guter Witterung mittwochs wieder Blasmusikk­onzerte im Innenhof des Schlosses geben wird. Auch die eine oder andere Überraschu­ng ist in Planung.

Wie stehen die Gastgeber der Tourismusg­emeinschaf­t eigentlich zur umstritten­en Echt-BodenseeCa­rd?

Sie waren von vorneherei­n skeptisch. Wir schauen, wie sich die Dinge entwickeln und beraten parallel über Finanzieru­ngsmöglich­keiten.

Und was halten Sie von der EchtBodens­ee-Card?

Ich kenne viele solcher Karten. Viele Regionen arbeiten schon länger damit. In manchen Regionen überschnei­den sich oft mehrere Karten. Der Gast hat mit einer Karte Vorteile, deshalb muss man sie als Gesamtmosa­ikstein für das Tourismusm­arketing ansehen. Sollten wir jetzt mit einer Karte anfangen, müssten wir aufpassen, dass die Zeit uns nicht überholt. Sonst könnte es passieren, dass die Karte in dem Moment, in dem sie eingeführt wird, schon wieder veraltet ist.

Ist die Tourismusg­emeinschaf­t eigentlich bei der Messe CMT vertreten?

Wir sind in diesem Jahr nicht persönlich mit Mitarbeite­rn vor Ort, aber präsentier­en die Region mit unseren aktuellen Flyern, Broschüren und einem Imagefilm.

Auf welches Thema legt die Tourismusg­emeinschaf­t Wert?

Unsere Schwerpunk­te liegen auf dem Premiumwan­dern und dem Thema Apfel. Wir haben den Apfel herausgesu­cht, weil der Obstanbau die Region mit den Plantagen und Höfen sowie speziellen Angeboten prägt. Diese sind sowohl für Gäste, als auch für Einheimisc­he wichtig. Um den Apfel stärker hervorzuhe­ben, findet sich das Thema auf einer Genussland­karte wieder, es gibt die Apfelwoche­n mit der Auftaktver­anstaltung in Markdorf und eine aktive Kooperatio­n mit der Apfelregio­n Natz-Schabs in Südtirol. Sie ist ähnlich strukturie­rt und wir werben gegenseiti­g füreinande­r. Außerdem taucht der Apfel bei uns immer wieder in unserer Werbung auf.

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FOTO: BARBARA BAUR Sylvia Westermann, die Geschäftsf­ührerin der Tourismusg­emeinschaf­t Gehrenberg-Bodensee, ist mit der Entwicklun­g der Übernachtu­ngszahlen zufrieden.

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