Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

70 Jahre Gesang zu Ehren Gottes

Kornelius Dimmeler wird für sein Engagement beim Kirchencho­r Hagnau geehrt

- Von Barbara Baur

HAGNAU - Kornelius Dimmeler ist seit 70 Jahren aktiver Sänger beim Kirchencho­r Hagnau, 45 Jahre davon hat er ihn auch dirigiert. „Insgesamt habe ich sieben Pfarrer erlebt“, sagt er. Bei einer Versammlun­g im Januar wird der Kirchencho­r ihn für seine Verdienste ehren.

Eingetrete­n ist er im Alter von 14 Jahren, als er gerade die Volksschul­e abgeschlos­sen hatte. „Der damalige Dirigent ging bei uns am Haus vorbei, als ich gerade draußen war. Er fragte, ob ich nicht gerne mitsingen würde“, berichtet Kornelius Dimmeler, der als Landwirt und Winzer arbeitete. „Die Vereine haben damals geguckt, dass sie neue Mitglieder gewinnen können.“

Gebhard Ehrlinspie­l, Wirt des ehemaligen Traditions­gasthauses „Scharfes Eck“, dirigierte den Kirchencho­r damals nicht nur, sondern spielte gleichzeit­ig auch Orgel. Er wusste, dass der 14-Jährige einen Bezug zur Musik hat und bereits Noten lesen konnte. Denn Kornelius Dimmeler erhielt schon als Kind Musikunter­richt in Konstanz, spielte Geige und Klavier. „In der Nachkriegs­zeit war die Musik eine brotlose Kunst“, sagt er. Manchmal habe er seinen Musiklehre­rn in Konstanz eine Flasche Milch mitgebrach­t, weil sie selbst nichts hatten.

Lateinisch­e Messen mit Credo

Während seiner Anfangszei­t hatte der Kirchencho­r viele Auftritte. Heute ist er hauptsächl­ich noch an hohen Feiertagen zu hören, doch damals umrahmte er auch reguläre Sonntagsgo­ttesdienst­e, die noch wöchentlic­h in Hagnau stattfande­n. Überhaupt wurden zu dieser Zeit dort noch mehr Gottesdien­ste gefeiert. An Feiertagen wie Weihnachte­n gab es mehrere Gottesdien­ste täglich. Für den Kirchencho­r war es selbstvers­tändlich, dass er sie mitgestalt­ete. Die Stücke, die damals ausgewählt wurden, waren zum Teil sehr aufwändig. An Weihnachte­n beispielsw­eise trug der Chor lateinisch­e Messen mit Credo vor. „Das war viel Arbeit“, erinnert sich der 84-Jährige.

Später übernahm Herbert Weitemeyer die Leitung des Kirchencho­rs. Der Musiklehre­r, der aus Thüringen stammte, sei während der Zeit des Nationalso­zialismus nach Hagnau gekommen, um dem Regime aus dem Weg zu gehen, erzählt Kornelius Dimmeler. „Er war nicht so angepasst und wollte mit der Ideologie nichts zu tun haben“, sagt er. Weitemeyer habe den Chor gefordert. Gemeinsam mit den Sängern habe er viele neue Stücke einstudier­t. „Alle zwei Wochen haben wir am Sonntag ein neues Lied gesungen“, sagt Dimmeler. Unter Weitemeyer­s Leitung gab es auch ein Schülerorc­herster mit einigen anderen jungen Hagnauern. „Nach den Proben wurde immer ausführlic­h diskutiert“, erinnert er sich. Eines Tages löste Weitemeyer sein Büro in Hagnau jedoch auf und zog nach Darmstadt, wo er ein Institut für Neue Musik und Musikerzie­hung gründete. Seine Nachfolge beim Kirchencho­r übernahm Korne- lius Dimmeler. Er dirigierte ihn 45 Jahre lang.

Musik passt zum Text

„Ein Problem hatten wir, als die Volksaltär­e gebaut wurden, die zur Gemeinde hin ausgericht­et sind“, sagt er. „Ab diesem Zeitpunkt war es auf einmal sehr schwierig, an neue Noten heranzukom­men.“Denn während zuvor viel auf Latein gesungen wurde, sollte die Sprache ab diesem Zeitpunkt aus der katholisch­en Liturgie verbannt werden. Später entstanden mehr und mehr moderne Lieder. „Sie wurden auf den Text komponiert“, sagt Dimmeler.

Denn weil die meisten Gläubigen lateinisch­e Texte ohnehin nicht verstehen konnten, wurde nun viel Wert auf eine deutliche Ausdrucksw­eise gelegt. Der Text stand letztlich über der Musik. Eine Richtung, die Kornelius Dimmeler als Dirigent des Kirchencho­rs gut mittragen konnte: „Mein ganzes Wirken habe ich auf Gott ausgericht­et“, sagt er. „Das habe ich auch immer an Gebhard Ehrlinspie­l geschätzt: Bevor der Kirchencho­r zu singen anfing, holte er ein Gebetsbuch hervor, ging in sich und betete.“

Musikalitä­t scheint in seiner Familie zu liegen: Sein Großvater war Dirigent, sein Vater spielte ebenfalls Geige. „Und meine Mutter hatte eine schöne Sopran-Stimme“, sagt Kornelius Dimmeler. Er selbst sang auch im Gesangsver­ein, darüber hinaus war er mehr als 20 Jahre Sänger in der Birnauer Kantorei mit. Außerdem spielte er eine Zeit lang im Musikverei­n Klarinette. „Da war ich aber kein Künstler“, sagt er und lacht. „Das war nie mein Instrument.“Seine Frau Roswitha löste 1975 Gebhard Ehrlinspie­l als Organist ab. Solange sie noch in Hagnau Orgel spielt, würde er gerne weiterhin im Kirchencho­r mitsingen. „Ein paar Jahre noch“, sagt der 84-Jährige.

 ?? FOTO: BARBARA BAUR ?? Kornelius Dimmeler singt seit 70 Jahren im Hagnauer Kirchencho­r. Dafür wird er im Januar geehrt.
FOTO: BARBARA BAUR Kornelius Dimmeler singt seit 70 Jahren im Hagnauer Kirchencho­r. Dafür wird er im Januar geehrt.

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