Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Heynen geht Schlendrian seines Teams auf den Geist
Volleyball: Beim 3:1-Sieg über die Alpenvolleys offenbart der VfB Friedrichshafen immer wieder Schwächephasen
FRIEDRICHSHAFEN - Nur das Ergebnis stimmte unterm Strich: Der VfB Friedrichshafen hat sich am Mittwochabend bei den Hypo Tirol Alpenvolleys Haching mit 3:1 durchgesetzt, feierte damit den neunten Sieg im neunten Bundesligaspiel und ist in der Saison 2017/18 weiterhin ungeschlagen. Doch am Auftritt seiner Schützlinge hatte der VfB-Cheftrainer so manches auszusetzen, wie er gegenüber unserer Zeitung kundtat.
„Ich war nicht zufrieden. Nach dem Spiel bin ich in der Kabine deutlich geworden und habe heute mit meinen Spielern nochmals darüber gesprochen“, stellte Vital Heynen am Tag danach klar – und lieferte gleich das Ergebnis seiner Ursachenforschung hinterher, warum sich der Schlendrian im VfB-Spiel einschlich: „Wir haben zu locker trainiert und waren zu überzeugt davon, dass wir gewinnen werden“, betont Heynen.
Sowohl in den Auszeiten als auch Satzpausen nahm sich der VfB-Trainer seine Spieler im Paket und einzeln zur Brust. Dem Belgier wurmte es, dass seine Spieler den Gegner – trotz klarer Satzführungen – durch unnötige Eigenfehler und leichtsinnig verschenkte Punkte in schöner Regelmäßigkeit wieder zurückkommen ließen. Vor allem gegen Ende des dritten Durchgangs hätte dies fast ins Auge gehen können – wenn sich die Alpenvolleys schlussendlich nicht selbst ein Bein gestellt hätten.
Scheinbar klar lagen die Häfler hier mit 18:12 vorne, doch die Gastgeber konnten durch drei Punkte in Serie auf 18:15 verkürzen. Heynen nahm die Auszeit, war stinksauer und hielt seinen Mannen in der Coachingzone eine Standpauke. Nach dem verwandelten Punktball zum 21:17 war beim VfB erneut Leerlauf angesagt: Die Führung schmolz bis auf 23:21 zusammen – die Alpenvolleys witter- ten ihre Chance, aufzuschließen und womöglich den Durchgang zu ihren Gunsten zu drehen.
Als der folgende Ball im Spiel war, flog dieser über die Netzkante ins hintere Feld der Alpenvolleys. Dort standen Libero Lucas Provenzano de Deus und Außenangreifer Igor Grobelny, der zuvor den VfB-Block ein ums andere Mal narrte, zur Annahme bereit. Doch wurden sich beide nicht handelseinig, wer im unteren Zuspiel an der Reihe war und brachten das Spielgerät nicht unter Kontrolle – Satzball für Friedrichshafen. Den verwertete VfB-Kapitän Simon Tischer, als Zuspieler relativ untypisch, per Angriff zur 2:1-Führung. Danach war der Widerstand des Tabellenfünften so gut wie gebrochen, der ungeschlagene Spitzenreiter machte später mit 25:18 den Deckel zum 3:1-Erfolg in Innsbruck drauf.
„Wir albern auch herum“
Dass es der VfB den Alpenvolleys relativ leicht machte, trotz Satzrückstands immer wieder heranzukommen, bestätigte auch Jakob Günthör nach der Rückkehr aus Tirol: „Wir trainieren sehr gut, aber albern auch herum. Für die nächsten Spiele müssen wir das Albern etwas abstellen und uns mehr auf unser Spiel konzentrieren. Dann passieren uns auch keine einfachen Fehler“, sparte der VfB-Mittelblocker nicht mit Selbstkritik und fügte hinzu: „Das Spiel gegen Hypo Tirol war für uns alle eine deutliche Warnung, wie wir nicht auftreten dürfen. Die Partie hat gezeigt, dass wir, trotz toller Serie, nicht nachlassen dürfen.“
Mit den beiden Auswärtsspielen bei Paok Thessaloniki am 18. Januar in der Champions-League und dem Bundesliga-Topduell eine knappe Woche später bei Meister Berlin steht der VfB Friedrichshafen vor zwei ganz dicken Brocken und darf sich hier keinen Schlendrian mehr erlauben. Vielleicht ist aber auch ein Schuss „Jammern auf hohem Niveau“, das Vital Heynen zelebriert, im Spiel. Denn hatte nicht schon ExVfB-Coach und Meistermacher Stelian Moculescu vor Jahren zu diesem Thema gesagt: „Es ist nicht wichtig, wie man die Sätze gewinnt, sondern dass man sie gewinnt.“