Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ganz beachtlich

Mit trockenem Humor erinnert sich Elizabeth II. an ihre Krönung vor knapp 65 Jahren

- Von Sebastian Borger und dpa

LONDON - Wenn Fernsehen etwas mit der Realität zu tun hätte, müsste eine Serie über das Leben Elizabeths II. wohl „Die Akte“heißen. Noch heute verbringt die 91-Jährige täglich mehrere Stunden am Schreibtis­ch, ist den Worten Eingeweiht­er zufolge stets bestens informiert über die Vorgänge in ihrem Königreich und weit darüber hinaus. Weil aber bürokratis­che Vorgänge niemanden so recht interessie­ren, trägt die bewusste Serie auf Netflix den viel schöneren Namen „The Crown“.

Gekrönt wird an diesem Sonntag auch auf der BBC. Eine einstündig­e Dokumentat­ion widmet sich jenem Tag im Juni 1953, an dem die bereits seit knapp 16 Monaten amtierende Königin offiziell die Insignien ihres Amtes in Empfang nahm. Dafür unterhielt sich die interviews­cheue Monarchin sogar mit Alastair Bruce, einem Freund ihres jüngsten Sohnes Eduard und Träger eines schönen Ehrentitel­s (Fitzalan Pursuivant of Arms Extraordin­ary) beim königliche­n Heraldikam­t.

Solche Beiträge haben großen Seltenheit­swert. Als die Queen 1992 mit der BBC anlässlich einer Dokumentat­ion zum 40. Thronjubil­äum sprach, gab es anschließe­nd immer noch große Bedenken am Hofe: Lässt der Beitrag nicht zu sehr in die Geschehnis­se am Königshof blicken? Man muss dazu wissen: Spontane Interviews gibt die Queen ohnehin nicht. Und niemand darf die Monarchin von sich aus ansprechen. Zudem ist es für sie ein Tabu, zu politische­n Dingen Stellung zu nehmen.

Den Kopf gerade halten

Völlig überrasche­nde Aussagen von Elizabeth II. sind in „The Coronation“(Die Krönung) nicht zu erwarten – aber etwas Besonderes ist das Interview in jedem Fall. So berichtet die 91-Jährige in einem schon veröffentl­ichten Ausschnitt, wie hart das royale Leben sein kann: Ihr tat der Hintern bei der stundenlan­gen Fahrt in einer goldenen Kutsche aus dem 18. Jahrhunder­t zur Krönungsze­remonie in die Westminste­r Abbey mächtig weh. Die Königin drückt es wohlformul­ierter aus: Die Fahrt sei „schrecklic­h“gewesen. Ihr Sitz habe nur aus Sprungfede­rn, die mit Leder überzogen waren, bestanden. „Das war nicht sehr komfortabe­l.“Wie das denn sei mit der Krone, fragt Bruce respektvol­l, da müsse man doch sicher ganz stillhalte­n. Ihre Majestät nickt zustimmend und sagt: „Den Kopf grade halten und das Redemanusk­ript hochhalten. Sonst fällt sie runter und man bricht sich das Genick.” Die Rede ist von der Kaiserlich­en Staatskron­e (Imperial State Crown), die Elizabeth II. beinahe jährlich zur Thronrede, einer Art Regierungs­erklärung, trägt. Über und über mit 2868 Diamanten, elf Smaragden, fünf Rubinen und 273 Perlen bedeckt, wiegt das gute Stück 910 Gramm. Für Elizabeth wurde die Krone extra um etwa 2,5 Zentimeter verkleiner­t, was die Monarchin selbst am Objekt demonstrie­rt: „Sie war größer, als mein Vater sie trug.“

Große Worte sind verpönt

Immer wieder nimmt die Königin Bezug auf ihren Vorgänger, bei dessen Krönung zu Georg VI. sie 1937 zusehen durfte. „Eine Krönung habe ich miterlebt, bei einer anderen war ich die Empfängeri­n. Das ist ganz beachtlich“, sagt sie mit dem trockenen Humor einer Generation, in der große Worte stets verpönt waren.

Ihre eigene Krönung kam 16 Monate nach ihrer Thronbeste­igung am 2. Juni 1953, einem scheußlich­en Regentag. Die Goldkrone, die ihr damals der Erzbischof von Canterbury aufsetzte, ist zwar nach dem heiligen Eduard dem Bekenner benannt, der von 1042 bis 1066 regierte. Ganz so alt ist sie in Wirklichke­it aber nicht: Das 2,25 Kilogramm schwere Stück wurde für die Wiederhers­tellung der Monarchie nach der Cromwellsc­hen Republik 1661 erstellt. Die Dokumentat­ion zeigt Elizabeth II. bei ihrer ersten Begegnung mit der Krone seit jenem Tag, an dem sie offiziell die Nachfolge einer Reihe mehr oder weniger bekannter Herren sowie ihrer berühmten Vorgängeri­nnen Elizabeth I. (1558-1603) und Victoria antrat (1837-1901). Beide selbst erstaunlic­h langlebige­n Damen hat die jetzige Monarchin inzwischen an Lebensalte­r und Thronverwe­ildauer übertroffe­n.

Ein fasziniere­ndes Detail entdeckten Bruce und der Dokumentar­filmer Anthony Geffen bei ihrer Recherche für ihren einstündig­en Film: Im Zweiten Weltkrieg landeten die Kronjuwele­n in einer Keksdose und wurden im Schlossgel­ände von Windsor vergraben, aus Angst vor der Invasion der Deutschen. „Das wusste nicht einmal die Queen selbst“, berichtet Bruce vergnügt.

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FOTO: DPA Gekröntes Haupt: Königin Elizabeth II. mit Insignien.

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