Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Orchestererzieher
Mariss Jansons, Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, feiert 75. Geburtstag
MÜNCHEN - Zwei Dirigenten haben ihn geprägt, vor allem aber darin, seinen eigenen Weg zu gehen: sein Vater Arvid Jansons und Herbert von Karajan. Dreh- und Angelpunkt seiner Dirigentenkarriere war Petersburg. Der Vater, Dirigent an der Oper in Riga in Lettland – hier wurde Mariss Jansons 1943 geboren – hatte es geschafft, 1952 bei den Leningrader Philharmonikern unter dessen berühmten wie gefürchteten Chef Jewgeni Mrawinski Dirigent zu werden. 1956 holte er seine Familie nach, Mariss besuchte das dortige Konservatorium, dessen Gründlichkeit er bis heute lobt. 1968 gaben die Berliner Philharmoniker mit Karajan ein Konzert in Leningrad. Eine Gruppe von zwölf Studenten des Hauses wurde ihm vorgestellt, Mariss Jansons war der jüngste.
Das waren damals noch stabile Sowjetzeiten, in denen Kulturpolitik in der Ausgestaltung von Schikanen bestand. Stalinistin Jekatarina Furzewa, bei Aeroflot gestartet und im Politbüro gelandet, amtete in diesem Absurdistan, begabt mit einer Stimme, die größte Säle ohne Lautsprecher zu füllen vermochte. Unter diesen Verhältnissen profitierte Jansons von einer Skurrilität: einem Studentenaustausch von Ballerinen gegen Dirigenten. So gelangte Jansons als Gegenleistung für die Ausbildung von Wiener Tänzerinnen am Bolschoi nach Wien. 1969 und 1970 war er Karajans Assistent bei den Salzburger Festspielen. 1971 hat er den Karajan-Dirigenten-Wettbewerb gewonnen, der ihm die Tore öffnete, zumindest so weit es ging.
Oslo, Amsterdam und München
Denn bei seinem ersten festen Engagement bei den Philharmonikern in Oslo machte Furzewas Behörde noch Probleme, er durfte dort keinen Vertrag unterschreiben, nicht in Oslo wohnen, nur befristet einreisen, jedesmal, natürlich, mit neuem Antrag.
Dieses trotzdem so stabile Engagement, das von 1979 bis 2000 dauerte, zeigte bereits die besondere Qualität, die Mariss Jansons besitzt: die des Orchestererziehers. Die Osloer Philharmoniker machten einen großen Schritt nach vorne, dokumentiert in einer Einspielung der Tschaikowski-Sinfonien, für die sie in einem alles andere als konkurrenzlosen Umfeld einen Schallplattenpreis heimtrugen.
Und sie gingen auf Reisen: so führte sie Jansons auch in die Berliner Philharmonie, wo sie sich mit ihrem klaren, satten und dunklen Sound präsentierten. Dort war er auch als Dirigent im Gespräch, einmal als Nachfolger von Claudio Abbado, dann von Simon Rattle.
Als vor einigen Jahren Musikkritiker die besten Orchester der Welt benennen sollten, wählten sie auf die ersten Plätze das Concertgebouw in Amsterdam und das des Bayerischen Rundfunks. Der Chefdirigent der beiden Orchester war damals gleichzeitig Mariss Jansons. Inzwischen hat er sein Arbeitspensum etwas zurückgefahren, eine Herzattacke hat ihm ein Zeichen gegeben und an das Schicksal seines Vaters erinnert, der während eines Konzerts in Manchester an einem Infarkt starb. So hat Jansons 2015, nach zwölf Jahren, Amsterdam Adieu gesagt. Er konzentriert sich jetzt auf München. Auch dort hat er ein gutes Orchester. Aber keinen guten Saal.
3sat widmet Mariss Jansons am Samstag einen ganzen Fernsehabend: Der beginnt um 20.15 Uhr mit Dvoráks achter Symphonie und setzt sich mit Beethoven und Prokowjew fort: Übertragen werden Konzerte aus München, unter anderem auch mit Daniel Barenboim am Klavier, und aus der Suntory Hall in Japan. Dazwischen um 22.40 Uhr gibt es ein Porträt des Dirigenten.
Der Bayerische Rundfunk ehrt den Dirigenten seines Symphonieorchesters am Sonntag mit einer ganzen Reihe von Konzertmitschnitten: BR Klassik ab 13.05 Uhr