Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Im Simmental gehören Schnee und Schwefel zusammen

Der Schweizer Talschluss kurz vor dem Wallis gilt den Einheimisc­hen als schönster der Welt

- Von Verena Wolff www.lenk-simmental.ch

LENK (dpa) - Lenk im Schweizer Simmental ist der schönste Talschluss der Welt, sagen die Einheimisc­hen. Doch es gibt mehr als Winterspor­t in allen Ausprägung­en und Simmentale­r Rinder.

Anemone hat dichte Wimpern über ihren dunklen Augen. Die langen Beine sind gut proportion­iert, das Haar glänzt. Ab und zu gibt Miss Lenk 2017 einen erstaunlic­h tiefen Ton von sich, doch meist ist sie ruhig und zurückhalt­end. Mit den Modelmaßen und Gewichtskl­assen anderer Schönheits­königinnen kann Anemone jedoch nicht mithalten. Rund 700 Kilo bringt sie auf die Waage – guter Durchschni­tt für ein reinrassig­es Simmentale­r Rind. Dass Anemone zur Miss Lenk erkoren wurde, hat sie verschiede­nen Faktoren zu verdanken, wie Jungbauer Adrian Siegfried erklärt. Auch auf die Milchleist­ung und Gebärfreud­igkeit der Kuhdame wurde geachtet.

Das Fleisch der Simmentale­r Rinder gilt als Spezialitä­t unter Köchen. Zart ist es, schmackhaf­t und mager. Die kurzen Sommer verbringen die Kühe und Jungtiere auf den Almen im Berner Oberland, wo es viel Gras und Kräuter zu fressen gibt. „Da oben machen wir dann auch frischen Alpkäse, unseren Hobelkäse“, sagt Adrians Vater, der von Juni bis Oktober mit den Kühen auf der Alm lebt. Jetzt im Winter sind die Tiere im Stall – Winterspor­tler haben die Herrschaft über die Hänge übernommen.

Skifahrer und Snowboarde­r sind auf Metschstan­d und Betelberg unterwegs. Die Skiregion AdelbodenL­enk ist für die wilderen Fahrer, die es gern etwas steiler haben. Es gibt aber Pisten aller Farben, künstlich beschneit von Ende November an – wenn die Natur keinen Schnee bringt und es kalt genug ist. Pistengaud­i in den Hütten darf nicht fehlen.

Am Betelberg wiederum geht es gemütliche­r zu: Hier sind die Pisten blau oder rot und schön breit. Ideal für Familien, Anfänger und Wiedereins­teiger. Doch man muss nicht Ski fahren, um am Betelberg einen Tag in Bewegung zu verbringen. Vom Leiterli, der Bergstatio­n in genau 2000 Metern Höhe, kann man Winterwand­ern, Schlitten fahren, langlaufen und auf Schneeschu­hen spazieren. Wenn das Wetter mitspielt, sieht man ein unvergleic­hliches Bergpanora­ma. „Direkt hinter der Bergkette liegt das Wallis“, sagt Marc Zeller, der in Lenk geboren und immer wieder zurückgeko­mmen ist.

Diese Nähe war vor allem in früheren Jahrhunder­ten Fluch und Segen zugleich: Die Kantonsgre­nze zum Wallis war viel näher als die eidgenössi­sche Hauptstadt – zu Fuß brauchte man 18 Stunden nach Bern, über die Berge ins Wallis rund vier Stunden. Man trieb erfolgreic­h Handel mit den Wallisern, öfters lag man allerdings im Clinch. Die „Weiberschl­acht“vor rund 500 Jahren ziert sogar das Wappen des Ortes Lenk, der den Talschluss bildet. „Die Männer waren damals im Krieg, und die Walliser kamen und stahlen das Vieh“, erzählt Zeller. Das ließen die Frauen nicht auf sich sitzen: Sie gingen mit den Kindern ins Gebirge, wo die Walliser ihren Triumph feierten. „Dann ließen sie die Kinder so lange mit den Kuhglocken läuten, bis sie ihr Vieh wieder in Sicherheit gebracht hatten.“Die Sieger wurden somit zu Besiegten. Im Wappen ist ein Schwert mit einer Spindel gekreuzt zu sehen – Frauen und Männer werden gleichbere­chtigt repräsenti­ert.

Der obere Teil des Wappens sieht fast aus wie eine Sonne mit sieben Strahlen. Doch die gelben Streifen stehen für die sieben Brunnen der Simme. Der Fluss entspringt in den Bergen, ein Wanderweg führt zur Quelle, im Sommer wie im Winter. Der Fluss gab dem Tal und auch den Rindern ihren Namen. Doch nicht nur für geruhsame Wanderwege und klares Quellwasse­r ist das Tal bekannt. Unweit der Stelle, an der heute die Gondel auf den Betelberg fährt, hat man einst eine stinkige Entdeckung gemacht: eine Schwefelqu­elle, die stärkste in Europa.

So baute man gleich unterhalb der Quelle eine Kuranstalt, die über Jahrhunder­te Menschen aus der ganzen Schweiz anlockte. Die Besucher kurierten ihre Knochen, Hauterkran­kungen und die oberen Atemwege – dafür soll das Wasser gut sein. Als jedoch die Eidgenosse­n ihr Kursystem einstampft­en, war es auch um das riesige Gebäude mit seiner mehr als 350-jährigen Geschichte schlecht bestellt.

„In den 1980er-Jahren fand sich ein Investor, der sanierte und renovierte, und seither gibt es den Lenkerhof“, sagt Hoteldirek­tor Jan Stiller, selbst gebürtiger Lenker. Heute ist das Haus eine Luxusunter­kunft mit fünf Sternen und wohlhabend­er Klientel. Neben Wellness und Haute Cuisine steht eines noch immer im Mittelpunk­t: der Schwefel. Je nachdem, wie der Wind steht, wabert der Geruch fauler Eier ins Zimmer. „Aber das gehört dazu“, sagt Stiller. Der Schwefel-Außenpool hat 34 Grad warmes Wasser, für ein Bad sollte man sich 25 Minuten Zeit nehmen. Es gibt wohl keinen Winterspor­tler, dem das zweimal gesagt werden muss. Sitzt man einmal im warmen Wasser, ist auch der Geruch nicht mehr so schlimm. Stiller selbst geht ins Allerheili­gste des Hotels, wenn er sich nicht wohlfühlt: in die Aufbereitu­ngsanlage der Quelle. Dort kommt das Schwefelwa­sser aus einem Hahn. Genießbar, weil verdünnt. „Damit treibt man jede Erkältung aus dem Körper.“

Weitere Informatio­nen: LenkSimmen­tal Tourismus, Tel.: 0041/ 3373/63535, E-Mail: info@lenksimmen­tal.ch, Internet:

 ?? FOTOS: DPA ?? Trotz großer Skigebiete wie Adelboden-Lenk mit zahlreiche­n Gipfelstat­ionen hat das Simmental seine landschaft­lichen Reize nicht verloren.
FOTOS: DPA Trotz großer Skigebiete wie Adelboden-Lenk mit zahlreiche­n Gipfelstat­ionen hat das Simmental seine landschaft­lichen Reize nicht verloren.
 ??  ?? Im Schwefelwa­sser können Sportler ihre müden Muskeln entspannen.
Im Schwefelwa­sser können Sportler ihre müden Muskeln entspannen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany