Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Arme reiche Stadt

- Bernhard Glatthaar, Friedrichs­hafen

Zum Nachgefrag­t „Über Stolperfal­len und was die Stadt tun muss“, SZ vom 8. Januar:

Beim Bericht über Stolperfal­len auf Geh- und Radwegen staunt man über die bürokratis­che und empathiefr­eie Sicht der Stadtverwa­ltung auf grundlegen­de Bedürfniss­e der Bevölkerun­g. Der alleinige Verweis auf Bagatellgr­enzen und Haftungsfr­agen bei „Bodenunebe­nheiten“wird dem Problem nicht gerecht, denn viele Fußgänger und Radfahrer wünschen sich nicht nur eine funktionie­rende Infrastruk­tur, sondern haben sogar ästhetisch­e Ansprüche an die Stadtgesta­ltung. Dazu gehören auch gepflegte Wege.

Zu viele Geh- und Radwege in Friedrichs­hafen sind in einem verwahrlos­ten Zustand. Warum spart diese reiche Stadt an ihrer wichtigste­n Infrastruk­tur? Sichere Geh- und Radwege haben auch einen sozialen Zweck, denn sie kommen der gesamten Bevölkerun­g – vom Kleinkind bis zum Senior – zugute. Dem Sanierungs­stau bei Geh- und Radwegen stehen zig Millionen zum Beispiel für den Flughafen oder ein riesiges Hallenbad gegenüber. Diese Mammutproj­ekte nützen aber nur der leistungsf­ähigen Mitte der Gesellscha­ft, die sich gerne mit Luxusprobl­emen beschäftig­t wie „ich will unbedingt ab FDH fliegen“oder „ich brauche im Hallenbad eine finnische und eine Bio-Sauna“.

Viele ältere Menschen fürchten jedes Risiko zu stürzen, denn eine Verletzung kann die Pflegebedü­rftigkeit bedeuten. Bei Gehwegen voller Stolperfal­len wie zum Beispiel in der Hofener Straße oder der Paulinenst­raße kann diese Angst zu stürzen dazu führen, dass die eigenständ­ige Mobilität aufgegeben wird und dadurch soziale Kontakte und die gerade im Alter wichtige Bewegung nicht mehr möglich sind. Verkehrssi­chere Gehwege gehören deshalb zur Fürsorgepf­licht eines sozialen Staates.

Mein Tipp an die Entscheide­r im Rathaus: Raus aus dem Auto und öfter mal zu Fuß durch die Innenstadt, wo das Fußvolk wohnt. Ich bin überzeugt, dass das Budget für Wegesanier­ung und Stadtreini­gung einen gewaltigen Sprung nach oben machen würde.

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