Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Arme reiche Stadt
Zum Nachgefragt „Über Stolperfallen und was die Stadt tun muss“, SZ vom 8. Januar:
Beim Bericht über Stolperfallen auf Geh- und Radwegen staunt man über die bürokratische und empathiefreie Sicht der Stadtverwaltung auf grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung. Der alleinige Verweis auf Bagatellgrenzen und Haftungsfragen bei „Bodenunebenheiten“wird dem Problem nicht gerecht, denn viele Fußgänger und Radfahrer wünschen sich nicht nur eine funktionierende Infrastruktur, sondern haben sogar ästhetische Ansprüche an die Stadtgestaltung. Dazu gehören auch gepflegte Wege.
Zu viele Geh- und Radwege in Friedrichshafen sind in einem verwahrlosten Zustand. Warum spart diese reiche Stadt an ihrer wichtigsten Infrastruktur? Sichere Geh- und Radwege haben auch einen sozialen Zweck, denn sie kommen der gesamten Bevölkerung – vom Kleinkind bis zum Senior – zugute. Dem Sanierungsstau bei Geh- und Radwegen stehen zig Millionen zum Beispiel für den Flughafen oder ein riesiges Hallenbad gegenüber. Diese Mammutprojekte nützen aber nur der leistungsfähigen Mitte der Gesellschaft, die sich gerne mit Luxusproblemen beschäftigt wie „ich will unbedingt ab FDH fliegen“oder „ich brauche im Hallenbad eine finnische und eine Bio-Sauna“.
Viele ältere Menschen fürchten jedes Risiko zu stürzen, denn eine Verletzung kann die Pflegebedürftigkeit bedeuten. Bei Gehwegen voller Stolperfallen wie zum Beispiel in der Hofener Straße oder der Paulinenstraße kann diese Angst zu stürzen dazu führen, dass die eigenständige Mobilität aufgegeben wird und dadurch soziale Kontakte und die gerade im Alter wichtige Bewegung nicht mehr möglich sind. Verkehrssichere Gehwege gehören deshalb zur Fürsorgepflicht eines sozialen Staates.
Mein Tipp an die Entscheider im Rathaus: Raus aus dem Auto und öfter mal zu Fuß durch die Innenstadt, wo das Fußvolk wohnt. Ich bin überzeugt, dass das Budget für Wegesanierung und Stadtreinigung einen gewaltigen Sprung nach oben machen würde.