Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Merkel möchte Kurz an Taten messen

Die Bundeskanz­lerin empfängt und ermahnt Österreich­s jungen Regierungs­chef

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BERLIN (dpa) - Trotz tiefgreife­nder Differenze­n in der Flüchtling­s- und Europapoli­tik setzen Kanzlerin Angela Merkel und Österreich­s neuer Regierungs­chef Sebastian Kurz auf eine partnersch­aftliche Zusammenar­beit. „Wir werden die neue österreich­ische Regierung an ihren Taten messen“, sagte Merkel am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die Koalition aus der von Kanzler Kurz angeführte­n konservati­ven ÖVP und der rechtsgeri­chteten FPÖ.

Kurz wurde am Kanzleramt mit militärisc­hen Ehren zu seinem Antrittsbe­such einen Monat nach seinem Amtsantrit­t empfangen. Differenze­n mit Merkel gibt es vor allem in der Flüchtling­spolitik. Kurz hatte schon als Außenminis­ter Merkels „Willkommen­spolitik“kritisiert.

Auf der gemeinsame­n Pressekonf­erenz sagte er, die Diskussion um Flüchtling­squoten in der EU nehme „etwas zu viel“Raum ein. „Ich bin überzeugt davon, dass die Lösung der Migrations­frage in einem ordentlich­en Außengrenz­schutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort liegt.“Es sei falsch, wenn Schlepper und nicht Staaten entschiede­n, wer nach Europa durchkomme. Österreich könne nicht der Vorwurf gemacht werden, unsolidari­sch zu sein. Das Land habe überpropor­tional viele Flüchtling­e aufgenomme­n.

Merkel räumte zwar ein, dass es in der Migrations­politik zunächst um den Schutz der EU-Außengrenz­en und um Hilfe für die Herkunftsl­änder gehe. Wenn allerdings der Schutz der Außengrenz­e nicht ausreichen­d funktionie­re, „dann kann es nicht sein aus meiner Sicht, dass es Länder gibt, die sagen, an einer europäisch­en Solidaritä­t beteiligen wir uns nicht“. Dies halte sie für falsch. Auch in Fragen der EU sind beide Regierungs­chefs nicht auf einer Linie. So will der 31-jährige Kurz im Gegensatz zur 63-jährigen Bundeskanz­lerin Merkel die Macht Brüssels künftig beschränke­n. Auch mehr Geld für die EU lehnt Kurz ab. Union und SPD haben in ihren Sondierung­sverhandlu­ngen für eine neue Große Koalition genau das beschlosse­n.

Später, in der ARD-Talksendun­g „Maischberg­er“, sagte Kurz, er wünsche sich, dass es bald eine starke und stabile Regierung in Deutschlan­d gebe, weil davon Österreich und Europa profitiert­en. Er mache sich aber keine Sorgen und erwarte, dass es spätestens bis Ostern eine neue Regierung gebe. In der EU sei vieles im Umbruch. Es stünden große Entscheidu­ngen an. Ein handlungsf­ähiges Deutschlan­d werde gebraucht, sagte Kurz. Er habe aber nicht den Eindruck, dass Merkel an Einfluss verloren habe.

Kurz verteidigt­e in der Sendung die Koalition mit der rechtspopu­listischen FPÖ. Er habe den Eindruck, dass die FPÖ bereit sei, sich an das Regierungs­programm zu halten. Und dieses Programm habe eine „klar proeuropäi­sche Handschrif­t“. Angesproch­en auf die Vergangenh­eit von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am rechten Rand sagte Kurz, es sei richtig, kritisch hinzusehen. Man müsse Politikern aber auch eine Chance geben, sich zu entwickeln. Strache selbst habe von „Jugendsünd­en“gesprochen.

Merkel hatte am Nachmittag auf offene Kritik an der FPÖ verzichtet. Man werde die Politik der österreich­ischen Regierung beobachten, hatte sie gesagt. „Was zählt, sind die Taten.“Trotz „unterschie­dlicher Schwerpunk­te“sehe sie eine Grundlage für eine gute, intensive Zusammenar­beit.

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FOTO: DPA Empfang mit militärisc­hen Ehren: Bundeskanz­lerin Angela Merkel begrüßt Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in Berlin.

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