Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Raderacher Waldschrate werden 30
Das Jubiläum feiern die Narren mit einem Ball in der Rotachhalle
FRIEDRICHSHAFEN - Vor 30 Jahren wurde er zum ersten Mal gesichtet: der Raderacher Waldschrat. Und genau das feiert die Narrenzunft aus Friedrichshafens kleinstem Ortsteil mit einem Ball in der Rotachhalle und der Raderacher Dorffasnet sowie dem Waldschratball und einer Fete.
Der Sage nach ist der Waldschrat ein übler Geselle, der zu Lebzeiten im Waldgrain, einem Waldstück zwischen Raderach und Bergheim, lebte. Er überfiel Wanderer und Kaufleute, stahl ihnen ihr Hab und Gut und schreckte auch vor Mord nicht zurück. Die Gräueltaten des Waldschrates ängstigten die Bevölkerung, die sich zusammenschloss, um den Schrat zu fangen. Sie kesselten den verwegenen Burschen ein, doch bevor sie ihn gefangen nehmen konnten, erschoss er sich selbst. Der Dieb und Mörder war tot – doch jetzt geht sein Geist um. In jeder Fasnet erwacht er zum Leben und treibt sein Unwesen.
Geschichte spiegelt sich im Häs wider
Die Sage des Waldschrates haben die Gründungsmitglieder Beate und Peter Birkle, Jürgen Koller und Joachim Fach im Jahr 1988 aufgegriffen und zum Leben erweckt. Die Geschichte des Schrates spiegelt sich in ihrem Häs wider. Der zweiteilige Cordanzug ist mit gut 800 Filzblättern bestückt, die den Blättern der hiesigen Laubbäume nachempfunden sind. Die Holzmaske ist aus einem Stück geschnitzt. Der aufgerissene Mund steht für das Johlen und Heulen welches nach dem Freitod des Wilddiebes die Bürger in den Wald lockte. Die Haare symbolisieren den Nebel, welcher sich vor allem im Herbst im Waldgrain hartnäckig hält. Dabei begann die Geschichte des Schrats im Jahre 1988 zuerst in Schnetzenhausen unter dem Namen „ Giris-Schrat Snezenhusen“. Ein Jahr später zog es die Zunft nach Raderach. Hier trafen sie sich in ihren Anfängen immer im Nebenraum der Gaststätte “Zur Krone“. Ihre Weihnachtsfeier und das Aschermittwochsessen feiern sie heute noch dort. „Auch das Kaffeekränzle am Bromigen Freitag findet dort jedes Jahr statt“, sagt Jürgen Koller, der als erster Zunftmeister von den Anfängen der Zunft bis 1999 die Zunft leitete. Ab 2000 bis zum Jahr 2011 nahm sein Bruder Günter Koller das Amt wahr. Seit 2011 hat Björn Seifermann als Zunftmeister das Sagen. Einmal im Jahr treffen sich die Mitglieder in Raderach zur Waldputzete und auch in diesem Jahr soll wieder ein Sommerfest stattfinden, „das gemeinsam mit den Turnerfrauen aus Raderach und der Ortsverwaltung angeboten wird“, sagt Björn Seifermann.
Seit dem Jahr 2000 gehört die Zunft offiziell dem Alemannischen Narrenring(ANR) an. Denn jede Zunft muss sich zunächst bewähren, um in den ANR aufgenommen zu werden. Das Häs muss einer bestimmten Ordnung entsprechen und Patenzünfte, die eine neue Gruppe in den ersten Jahren begleiten, sind beispielsweise vonnöten. Im Falle der Raderacher Zunft sind es die Narrenzunft Ailingen und Lottenweiler.
„Wir sind auch Gründungsmitglieder des IGHN“, sagt Björn Seifermann. Das steht für Interessens Gemeinschaft Häfler Narrenzünfte. Die Ziele des IGHN sind die Abstimmung der Fasnetstermine, gegenseitige Unterstützung bei Veranstaltungen und Jubiläen, gemeinsames Sprachrohr gegenüber Stadt und Presse und die Pflege des heimischen Brauchtums. Ihr 30-Jähriges feiern die Schrate in Ailingen in der Rotachhalle. „Sonst sind unsere Veranstaltungen im Dorfgemeinschaftshaus in Raderach, aber das wäre für die vielen Gäste zu klein“. Der Jubiläumsball ist ein geschlossene Veranstaltung, aber „sonst sind alle Veranstaltungen der Waldschrate, ob Taufe, Dorfball und Waldschrat-Fete oder auch das Kaffeekränzle für jedermann gedacht“. Könnte man den Schraten zum runden Geburtstag einen Wunsch erfüllen, wäre das wohl ein eigenes Vereinsheim in Raderach, denn das fehlt ihnen noch.