Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Entdeckungsreise im Club Vaudeville
Bewegte Geschichte: Zum 40. Jubiläum steht Besuchern jede Tür des Clubs offen
LINDAU – Beatsteaks, Sido, Kraftklub und Culcha Candela: Die Wände der Künstlerräume im Lindauer Club Vaudeville sind über und über mit Unterschriften bemalt. Viele der Künstler sind berühmt. „Falls wir hier mal ausziehen, schneiden wir die aus den Wänden und verkaufen sie“, sagt Marc Jehnes lachend. Er hat im Club den Überblick, ist Organisator und Ansprechpartner für alle. Zur „Nacht der offenen Tür“am 26. Januar können Besucher den Club von einer neuen Seite kennenlernen: „Alle Räumlichkeiten sind offen, ob Backstagebereich, Büros oder Catering.“Später treten eine Band und ein DJ auf. Außerdem beantworten Gründungsmitglieder und andere Club-Aktivisten alle Fragen.
Einer, der bei der Gründung dabei war, ist Max Strauß: „In Lindau war einfach nichts los.“Deswegen habe er gemeinsam mit anderen Jugendlichen den Club Vaudeville gegründet. Die jungen Lindauer wollten in ihrer Stadt kulturell was erleben, einfach Spaß haben. Und politisch aktiv wollten sie sein: „Das Einzige, was es gab, um sich aktiv politisch zu beteiligen, war das Jugendzentrum“, erzählt Strauß. Bis zum Alter von 23 Jahren habe er sich dort engagiert. Dann sei ein junger Mann aus dem Umfeld der sogenannten Scheune an Drogen gestorben. Strauß erzählt: „Es gab die Vermutung, dass er Drogen im Jugendzentrum genommen hatte.“Die Scheune wurde geschlossen.
Die Jugendlichen bildeten einen Arbeitskreis, doch von städtischer Seite sei nichts zu holen gewesen. „Wenn uns niemand unterstützt, dann müssen wir es eben selber machen, dachten wir uns“, erzählt Max Strauß
Strauß. Am 5. Dezember 1978 war es soweit: In einem Kneipenhinterzimmer im Aeschacher Hof unterschrieben ein paar Jugendliche die Vereinspapiere – darunter Max Strauß. Rund zehn Jugendliche seien dabei gewesen, die wenigsten davon waren älter als 18 Jahre.
Stadtratssitzung gesprengt
Der erste große Erfolg des Clubs war quasi der Vorläufer des Festivals „Umsonst&Draußen“. 1981 lief es unter der Abkürzung SUMPF – das „Spiel und Musik Prachtfest“. Der Club hatte sich das Recht erstritten, ein dreitägiges Festival auf dem Golfplatz zu feiern. „Sogar die Stadtratssitzung haben wir damals gesprengt“, erzählt Strauß. An den Festivaltagen wurden dann die Erwartungen der Clubler gesprengt: Statt der erwarteten 3000 Besucher, kamen rund 20 000 Menschen. Strauß erzählt: „Wir wurden überrollt. Das war eine unglaubliche logistische Leistung, alle zu versorgen.“
1985 zog der Club Vaudeville in sein erstes Vereinsheim im Motzacher Weg, das „Keller“genannt wurde. Das habe einiges an Arbeit mit sich gebracht: „Über ein ganzes Jahr haben wir das Gebäude der Inselbrauerei Schlechter umgebaut.“Allerdings wurde es den Anwohnern bald zu bunt: Aufgrund der Lärmbeschwerden bekam der Club nach zehn Jahren keine Verlängerung des Mietvertrags und zog 1998 in die Von-Behring-Straße.
Auf dem Industriegelände der GWG verändert sich zurzeit viel. Auch der Club will an seinem Gebäude bauen. Der Eingang soll als nächstes neugestaltet werden. An die Veranstaltungshalle schließt sich ein zweistöckiger Gebäudeteil mit Künstlerlogen und Büros an, die der Club selbst hochgezogen hat. Dort muss vor allem besser gedämmt werden: „Das Blechdach und die alten Fenster sind energetisch schlecht“, sagt Jehnes. Außerdem müssten Lüftung und Böden erneuert werden.
Nur durch Zuschüsse überleben
Die Handwerker, die im Club Mitglied sind, bauen alles in Eigenleistung um: „Aber allein das Material kostet 150 000 Euro.“Für den Club ist das eine Menge Geld: „Ohne Zuschüsse der Stadt wäre der Betrieb nicht möglich“, erklärt Jehnes. Der Club kämpfe immer noch mit der Mieterhöhung der GWG im vergangenen Jahr. Die Stadt habe daraufhin zwar ihre Zuschüsse erhöht, die würden aber nicht die ganze Summe abdecken.
Derzeit sind rund 30 der 320 Clubler aktive Mitglieder. Doch auch andere Interessierte können auf den „Montagssitzungen“Vorschläge machen und eigene Veranstaltungen organisieren. „Wir sind immer offen für neue Ideen“, sagt Jehnes. Frisch Zugezogene können sich so leichter einbringen. Wie zum Beispiel ein heutiger Vorstand des Clubs, Florian Hedig, nach seinem Zuzug aus Sachsen-Anhalt: „Ich bin zu einem Bandauftritt gekommen, kam schnell mit den Clubmitgliedern ins Gespräch und wurde damals sofort herzlich aufgenommen.“
Das Ziel des Clubs ist es, jedes Jahr rund 130 Veranstaltungen anzubieten. Mitglieder, die Fans der auftretenden Bands sind, empfangen die Besucher an der Tür, der Garderobe oder der Bar: „Fans für Fans ist das Motto“, sagt Jehnes.
Das mache das Cluberlebnis so besonders im Vergleich zu Events bei anderen Veranstaltern. Zum Jubiläumsjahr soll es in der ersten Jahreshälfte eine Festwoche geben. Jehnes erklärt: „Wann genau das sein wird, steht noch nicht fest. Es kommt darauf an, wann die eingeladenen Bands Zeit haben.“
„Wenn uns niemand unterstützt, dann müssen wir es eben selber machen.“