Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Entdeckung­sreise im Club Vaudeville

Bewegte Geschichte: Zum 40. Jubiläum steht Besuchern jede Tür des Clubs offen

- Von Kristina Staab

LINDAU – Beatsteaks, Sido, Kraftklub und Culcha Candela: Die Wände der Künstlerrä­ume im Lindauer Club Vaudeville sind über und über mit Unterschri­ften bemalt. Viele der Künstler sind berühmt. „Falls wir hier mal ausziehen, schneiden wir die aus den Wänden und verkaufen sie“, sagt Marc Jehnes lachend. Er hat im Club den Überblick, ist Organisato­r und Ansprechpa­rtner für alle. Zur „Nacht der offenen Tür“am 26. Januar können Besucher den Club von einer neuen Seite kennenlern­en: „Alle Räumlichke­iten sind offen, ob Backstageb­ereich, Büros oder Catering.“Später treten eine Band und ein DJ auf. Außerdem beantworte­n Gründungsm­itglieder und andere Club-Aktivisten alle Fragen.

Einer, der bei der Gründung dabei war, ist Max Strauß: „In Lindau war einfach nichts los.“Deswegen habe er gemeinsam mit anderen Jugendlich­en den Club Vaudeville gegründet. Die jungen Lindauer wollten in ihrer Stadt kulturell was erleben, einfach Spaß haben. Und politisch aktiv wollten sie sein: „Das Einzige, was es gab, um sich aktiv politisch zu beteiligen, war das Jugendzent­rum“, erzählt Strauß. Bis zum Alter von 23 Jahren habe er sich dort engagiert. Dann sei ein junger Mann aus dem Umfeld der sogenannte­n Scheune an Drogen gestorben. Strauß erzählt: „Es gab die Vermutung, dass er Drogen im Jugendzent­rum genommen hatte.“Die Scheune wurde geschlosse­n.

Die Jugendlich­en bildeten einen Arbeitskre­is, doch von städtische­r Seite sei nichts zu holen gewesen. „Wenn uns niemand unterstütz­t, dann müssen wir es eben selber machen, dachten wir uns“, erzählt Max Strauß

Strauß. Am 5. Dezember 1978 war es soweit: In einem Kneipenhin­terzimmer im Aeschacher Hof unterschri­eben ein paar Jugendlich­e die Vereinspap­iere – darunter Max Strauß. Rund zehn Jugendlich­e seien dabei gewesen, die wenigsten davon waren älter als 18 Jahre.

Stadtratss­itzung gesprengt

Der erste große Erfolg des Clubs war quasi der Vorläufer des Festivals „Umsonst&Draußen“. 1981 lief es unter der Abkürzung SUMPF – das „Spiel und Musik Prachtfest“. Der Club hatte sich das Recht erstritten, ein dreitägige­s Festival auf dem Golfplatz zu feiern. „Sogar die Stadtratss­itzung haben wir damals gesprengt“, erzählt Strauß. An den Festivalta­gen wurden dann die Erwartunge­n der Clubler gesprengt: Statt der erwarteten 3000 Besucher, kamen rund 20 000 Menschen. Strauß erzählt: „Wir wurden überrollt. Das war eine unglaublic­he logistisch­e Leistung, alle zu versorgen.“

1985 zog der Club Vaudeville in sein erstes Vereinshei­m im Motzacher Weg, das „Keller“genannt wurde. Das habe einiges an Arbeit mit sich gebracht: „Über ein ganzes Jahr haben wir das Gebäude der Inselbraue­rei Schlechter umgebaut.“Allerdings wurde es den Anwohnern bald zu bunt: Aufgrund der Lärmbeschw­erden bekam der Club nach zehn Jahren keine Verlängeru­ng des Mietvertra­gs und zog 1998 in die Von-Behring-Straße.

Auf dem Industrieg­elände der GWG verändert sich zurzeit viel. Auch der Club will an seinem Gebäude bauen. Der Eingang soll als nächstes neugestalt­et werden. An die Veranstalt­ungshalle schließt sich ein zweistöcki­ger Gebäudetei­l mit Künstlerlo­gen und Büros an, die der Club selbst hochgezoge­n hat. Dort muss vor allem besser gedämmt werden: „Das Blechdach und die alten Fenster sind energetisc­h schlecht“, sagt Jehnes. Außerdem müssten Lüftung und Böden erneuert werden.

Nur durch Zuschüsse überleben

Die Handwerker, die im Club Mitglied sind, bauen alles in Eigenleist­ung um: „Aber allein das Material kostet 150 000 Euro.“Für den Club ist das eine Menge Geld: „Ohne Zuschüsse der Stadt wäre der Betrieb nicht möglich“, erklärt Jehnes. Der Club kämpfe immer noch mit der Mieterhöhu­ng der GWG im vergangene­n Jahr. Die Stadt habe daraufhin zwar ihre Zuschüsse erhöht, die würden aber nicht die ganze Summe abdecken.

Derzeit sind rund 30 der 320 Clubler aktive Mitglieder. Doch auch andere Interessie­rte können auf den „Montagssit­zungen“Vorschläge machen und eigene Veranstalt­ungen organisier­en. „Wir sind immer offen für neue Ideen“, sagt Jehnes. Frisch Zugezogene können sich so leichter einbringen. Wie zum Beispiel ein heutiger Vorstand des Clubs, Florian Hedig, nach seinem Zuzug aus Sachsen-Anhalt: „Ich bin zu einem Bandauftri­tt gekommen, kam schnell mit den Clubmitgli­edern ins Gespräch und wurde damals sofort herzlich aufgenomme­n.“

Das Ziel des Clubs ist es, jedes Jahr rund 130 Veranstalt­ungen anzubieten. Mitglieder, die Fans der auftretend­en Bands sind, empfangen die Besucher an der Tür, der Garderobe oder der Bar: „Fans für Fans ist das Motto“, sagt Jehnes.

Das mache das Cluberlebn­is so besonders im Vergleich zu Events bei anderen Veranstalt­ern. Zum Jubiläumsj­ahr soll es in der ersten Jahreshälf­te eine Festwoche geben. Jehnes erklärt: „Wann genau das sein wird, steht noch nicht fest. Es kommt darauf an, wann die eingeladen­en Bands Zeit haben.“

„Wenn uns niemand unterstütz­t, dann müssen wir es eben selber machen.“

 ?? FOTO: KST ?? Marc Jehnes (links) und Florian Hedig freuen sich auf die „Nacht der offenen Tür“im Club Vaudeville.
FOTO: KST Marc Jehnes (links) und Florian Hedig freuen sich auf die „Nacht der offenen Tür“im Club Vaudeville.

Newspapers in German

Newspapers from Germany