Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Warum kein eigenes Theater?
Als der Intendant des Theaters Konstanz unlängst zu einem Pressegespräch eingeladen hatte, empfing er mich, den Schreiber aus Friedrichshafen, mit den Worten: „Sie kommen aus der Stadt, die sich gegen ein eigenes Haus entschieden hat.“Er meinte ein Haus mit festem Ensemble, ein Theater. Der Mann hatte gut lachen: Das Theater Konstanz wurde ja schon 1607 gegründet. Heutzutage käme Konstanz wohl nicht mehr auf die Idee, ein Theater in die Welt zu setzen. Allerdings hat Konstanz auch weniger Geld als Friedrichshafen. Und klar, die Mittel unserer Zeppelin-Stiftung sind wiederum verplant. Aber man darf ja mal ins Blaue denken: Was wäre eigentlich, wenn es in Friedrichshafen ein Theater gäbe? Es wäre freilich teuer. Und wenn eine Stadt ein breit gestreutes Kulturprogramm wünscht, fährt sie mit zugekauften Veranstaltungssparten besser – ein Theaterensemble tanzt nun mal kein Ballett und taugt auch nicht zur Aufführung von Beethovens „Fünfter“.
Trotzdem ist es schade, dass Friedrichshafen kein eigenes Theater hat. Das kulturelle Angebot in Friedrichshafen ist zwar so hochklassig, dass es keine Wünsche offen lässt – das Kulturbüro leistet da Großes – aber es ist Kultur, die am nächsten Tag wieder abreist. Sie setzt an ihrem Spielort weniger Impulse als solche, die vor Ort entstehen und sie nimmt von ihrem Spielort auch keine Impulse entgegen. Dann ist da noch die Identifizierung der Bürger mit der Kultur in ihrer Stadt. Niemand in Friedrichshafen käme auf die Idee, von „unserem“Berliner Ensemble zu sprechen, so toll es auch ist, diese Bühne im GZH erleben zu können. Ein paar Kilometer weiter aber wird das Theater Ravensburg von vielen Ravensburgern durchaus als „ihr“Theater empfunden.
Freilich, dieser Effekt stellt sich schwerlich ein, wenn ein Theater per amtlicher Anordnung gegründet wird. Das Theater Ravensburg wurde von Idealisten geschaffen, die sich die Anerkennung ihres Publikums und der Verwaltung erkämpft haben. Nicht anders könnte das auch in Friedrichshafen laufen, der Stadt der Theatertage am See. Die Theatertage sind die Keimzelle zahlreicher Bühnenereignisse in der Gegend, vom Theaterpädagogischen Ausbildungskurs am Seminar Meckenbeuren bis zum Theater Oberschwaben-Bodensee. Auch das Kulturbüro Friedrichshafen ist Motor mehrerer Amateurtheaterclubs. An Wurzeln für eine eigene städtische Theaterkultur fehlt es also nicht. Aber jetzt dreht erst einmal der Bahnhof Fischbach wieder auf – und mit ihm das Kulturbüro. Rund 40 Veranstaltungen im Jahr soll es künftig im Kulturbahnhof organisieren. Die Zahl der Gastspiele wird also steigen; auch im Theaterbereich.
Für die laufende Kulturwoche seien diese Veranstaltungen ans Herz gelegt: Am heutigen Montag, 20 Uhr, liest Uwe Timm im Kiesel aus seinem Roman „Ikarien“, die Oper Halle zeigt am Donnerstag, 19.30 Uhr, im GZH Giuseppe Verdis Oper „Aida“und die Galerie Lutze stellt ab Freitag, 20 Uhr, Auflagenkunst von Gerhard Richter aus.