Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Soli steht bald länger als die Mauer“

FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke verteidigt das Verlassen von Jamaika beim Empfang

- Von Siegfried Großkopf

- Der Frauenchor Allegro hat passenderw­eise „Die Gedanken sind frei“und „Wunder gibt es immer wieder“gesungen, als die Kreis-Liberalen am Donnerstag­abend im „Bären“zum Neujahrsem­pfang eingeladen hatten. Dazwischen war der FDP-Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Hans-Ulrich Rülke, damit ausgelaste­t, den Ausstieg aus dem Zug nach Jamaika zu erklären. Trotz stürmische­r Witterung waren rund 50 Interessie­rte gekommen, um vor allem den LandtagsCh­ef der FDP zu hören, für den das Jamaika-Scheitern „kein Wunder“war.

Von einem für die Liberalen „turbulente­n Jahr 2017“sprach Kreisvorsi­tzender Hans-Ulrich Wetzel in seiner Begrüßung, als er an den Wiedereinz­ug in den Bundestag mit 80 Abgeordnet­en erinnerte und daran, dass anschließe­nd für viele klar gewesen sei, damit auch wieder Regierungs­verantwort­ung mitzuübern­ehmen. Bei Jamaika nicht mitzumache­n sei kein „Gekneife“gewesen, sondern „konsequent­e Fortsetzun­g unserer Politik“, zeigte er die Alternativ­en auf: Die FDP wäre nur „Steigbügel­halter für die anderen drei Parteien“gewesen. Wo FDP drauf stehe, müsse aber auch FDP drin sein.

Fünf „E“s sind wichtig

Hans-Ulrich Rülke versteht die Enttäuschu­ng, nicht in die Regierung gegangen zu sein, und versuchte in der Folge zu erklären, was schuld daran gewesen ist. Für die FDP seien die fünf „E“wichtig: die Entlastung von Bürgern und Unternehme­n, die Energiepol­itik, Europa, die Einwanderu­ng und Edukation (Erziehung). Sie sei in Baden-Württember­g von landespoli­tischer Bedeutung und die über Jahrzehnte gut funktionie­rende Bildungsla­ndschaft verloren gegangen. Voraussetz­ung für Wohlstand sei Bildung. Die FDP verstehe sich nicht nur als Wirtschaft­s-, sondern auch als Bildungspa­rtei, und bei diesem Thema müsse auch über vorhandene­s Geld geredet werden. Er kritisiert­e das „bemerkensw­erte Denken“in Berlin, in Zeiten andauernde­r Hochkonjun­ktur Steuererhö­hungen nicht auszuschli­eßen, 100 Milliarden Euro in Sondierung­sgespräche­n umzuvertei­len, aber die Bildung zu vernachläs­sigen. So verhindere ein „Kooperatio­nsverbot“, dass die auf Milliarden sitzende Bundesbild­ungsminist­erin die Länder unterstütz­en darf, obwohl deren Schulen Sanierungs­fälle seien und landauf landab Renovierun­gsbedarf bestünde.

Während die Kinder zu Hause mit dem Smartphone arbeiten, breche für sie in der Schule die „KreideZeit“ an, kritisiert­e er. Unter anderem bei diesem wichtigen Thema sei man bei Jamaika nicht weitergeko­mmen. Das laufe bei den Sondierung­en zwischen der Union und der SPD besser.

Rülke verurteilt­e den beibehalte­nen Solidaritä­tszuschlag, der demnächst länger stehe als die Mauer und der Sektsteuer Konkurrenz mache. Während der „verrückte“Trump immerhin die Unternehme­nssteuer massiv gesenkt habe und damit schon einmal Apple zurückholt­e, belasteten die Sondierung­spartner die Unternehme­n mit der Parität in der Krankenver­sicherung.

In Sachen Klimaziele hätten die Grünen in den Jamaika-Sondierung­en innerhalb von zwei Tagen ihre Pläne aufgegeben. Schließlic­h schließe sich die FDP nicht der Finanzunio­n Europa von Macron an, die tatsächlic­h eine Schuldenun­ion sei und – sollte sie kommen – scheitern werde. „Da konnten wir nicht mitmachen“, sagte Rülke. Der Fraktionsc­hef lobte Christian Lindner, der sich „am Ende hingestell­t hat“und jetzt der Prügelknab­e der Nation sei. Dabei sei dessen Entscheidu­ng eine „Investitio­n in Glaubwürdi­gkeit“gewesen.

In der Landespoli­tik beklagte Rülke die im Land fehlenden 88 000 Wohneinhei­ten. Um die Wohnungen zu bauen, gebe es verschiede­ne Ansätze. Doch es sei falsch, anzunehmen, der Staat könne es richten. „Wir brauchen privates Kapital, und das muss sich rechnen. Wir müssen den Wohnungsba­u attraktiv machen“, forderte er steuerlich­e Anreize wie in früheren Jahren. Die Erhöhung der Grunderwer­bssteuer sei da kontraprod­uktiv.

 ?? FOTO: SIG ?? Mit dem Lied "Wunder gibt es immer wieder", hat der Frauenchor Allegro FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke beim Neujahrsem­pfang im "Bären" Mut gemacht. Rechts neben Rülke FDP-Kreisvorsi­tzender Hans-Ulrich Wetzel.
FOTO: SIG Mit dem Lied "Wunder gibt es immer wieder", hat der Frauenchor Allegro FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke beim Neujahrsem­pfang im "Bären" Mut gemacht. Rechts neben Rülke FDP-Kreisvorsi­tzender Hans-Ulrich Wetzel.

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