Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
33 Prozent unter dem Mietspiegel
OB Rapp befürwortet städtische Wohnungsbaugesellschaft, die 2019 loslegen könnte
RAVENSBURG - Die Idee einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft für Ravensburg nimmt langsam Gestalt an: Nach der Sommerpause will die Stadtverwaltung dem Gemeinderat einige Vorschläge dazu unterbreiten, in welcher Rechtsform man das Thema am sinnigsten angehen kann. Denn entgegen früherer Prognosen schrumpft die Bevölkerung nicht – stattdessen werden die Ravensburger immer mehr.
Sozialwohnungen seien definitiv nötig, findet Oberbürgermeister Daniel Rapp – und zwar trotz des Bündnisses für sozialen Wohnungsbau, welches vorschreibt, dass bei Neubauvorhaben mit mehr als zehn Wohneinheiten 20 Prozent der Fläche mindestens 14 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete angeboten werden müssen. Damit fange man jedoch nur die untere Mittelschicht ab, die in Ravensburg, wo unter zehn Euro pro Quadratmeter Miete so gut wie nichts mehr zu haben ist, in Bezug auf eine bezahlbare Wohnung inzwischen ebenfalls ziemlich chancenlos dasteht. Menschen in sozial schwierigen Situationen fallen laut Rapp häufig komplett durchs Raster: „Für die brauchen wir Sozialwohnungen“, so der OB. Und weil diese auf dem freien Markt keine große Rendite abwerfen und außerdem ein hohes Mietausfallrisiko besteht, müsse die Kommune in die Bresche springen.
Wobei Rapp klarstellt, dass die Stadt diese Wohnungen nicht allein wegen der Flüchtlinge bauen wird, obschon sich durch sie „der Druck auf den Sozialwohnungsmarkt“natürlich erhöht habe. Aber: „Auch im reichen Oberschwaben“gebe es jede Menge Menschen mit sogenannten „Vermietungshemmnissen“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Konkret bedeutet das: Wer ohne Job ist und Hartz IV bezieht, hat auf dem regulären Wohnungsmarkt ebenso schlechte Karten wie jemand mit Kindern, Tieren oder einer Behinderung. Nicht von ungefähr plädiert auch die Ravensburger SPD-Fraktion schon länger für eine städtische Wohnungsbaugesellschaft; auch seitens der anderen Fraktionen habe er diesbezüglich bereits positive Signale empfangen, so Rapp.
„Für die brauchen wir Sozialwohnungen.“Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp über Menschen in sozial schwierigen Situationen. Sie würden häufig durchs Raster fallen.
Verschiedene Varianten
Darum bastelt die Verwaltung nun an verschiedenen Varianten, wie man die städtische Wohnungsbaugesellschaft aufziehen könnte. Eine Möglichkeit ist, Bauträger bauen zu lassen und diese Wohnungen dann an- und unterzuvermieten. Am besten würde es Rapp allerdings finden, „wenn wir selbst eine Wohnungsbaugesellschaft gründen, die auch für Stadtentwicklung zuständig ist“. Auf diese Weise könnte die Stadtverwaltung zudem durch den Ankauf von Grundstücken „eine geordnete Stadtentwicklung“steuern – nicht zuletzt unter ökologischen Gesichtspunkten, wie Baubürgermeister Dirk Bastin betont.
Gesellschaft soll wirtschaftlich sein
Auch wenn die Wohnungsbaugesellschaft aufgrund staatlicher Finanzspritzen die Auflage hätte, Wohnraum 33 Prozent unter Mietspiegelniveau anzubieten (Bastin spricht von Mieten zwischen 6,50 und 8 Euro pro Quadratmeter), soll sie letztlich eine schwarze Null schreiben und sich spätestens in zehn Jahren finanziell selbst tragen. Die 400 Wohnungen, die die Stadt bereits besitzt, würden auf die neue Gesellschaft übertragen, die sich über Mieten, Fördergelder und Grundstückserlöse tragen soll. Rechtlich könnte sie zwischen GmbH und Eigenbetrieb angesiedelt sein und je nach Votum des Gemeinderats bereits zum 1. Januar 2019 ihre Arbeit aufnehmen.
Ein weiterer Grund, warum man um eine städtische Wohnungsbaugesellschaft nicht herumkommt, ist für Rapp der Umstand, dass die sogenannte Sickertheorie in Ravensburg nicht greift.
Altbauten werden „luxussaniert“
Eigentlich geht man davon aus, dass, wenn Neubauten entstehen, Menschen, die dort einziehen, im Gegenzug günstigere Altbauwohnungen frei machen. In Ravensburg allerdings laufe es derzeit so, dass diese Altbauten dann meist „luxussaniert“werden – um hernach teurer vermietet zu werden. Wodurch eben die Klientel, die am wenigsten Geld hat, wohnungsmäßig wieder im Regen steht.
In Großstädten wie Berlin oder Düsseldorf könne man beobachten, was passiert, wenn Kommunen diesbezüglich untätig bleiben: Die Obdachlosigkeit breitet sich aus – und ist laut Bastin anderswo auch schon sichtbarer als in Ravensburg. Wobei sich der Anstieg der Obdachlosen, deren Zahl sich in den vergangenen vier Jahren bundesweit auf 860 000 verdoppelt habe, auch in der oberschwäbischen Metropole immer mehr bemerkbar mache.
Um dem generellen Wohnungsengpass beizukommen, setzt Oberbürgermeister Daniel Rapp freilich noch auf andere Mittel: Seiner Ansicht nach „führt für große Arbeitgeber vor Ort auf Dauer kein Weg daran vorbei“, für Fachkräfte, die sie in die Provinz locken wollen, Werkswohnungen zur Verfügung zu stellen.