Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kult-Aufkleber für Autofans ist zurück
Häfler gestaltet Grafik zu kontroversem Verkehrsprojekt neu – Nicht nur Oldtimer-Fans sind begeistert
Grafiker legt Aufkleber zu nie gebauter Bodensee-Autobahn neu auf.
FRIEDRICHSHAFEN - In den 70erund 80er-Jahren lieferten sich Fans und Gegner einer Bodensee-Autobahn erbitterte Grabenkämpfe. Wer damals zu den Befürwortern zählte, hatte mit großer Wahrscheinlichkeit einen bis heute bekannten Aufkleber auf dem eigenen Auto. Jetzt ist der Kult-Bepper wieder da.
„Mein Bruder liebt alte Autos“, erzählt der gebürtige Häfler Christian Gleinser. Der 33 Jahre alte Informatiker ist auch so etwas wie ein Hobby-Grafiker mit einem Händchen fürs Zeichnen und Gestalten. Das und die Oldtimer-Liebe seines Bruders sind wohl dafür verantwortlich, dass ein berühmt-berüchtigter Auto-Aufkleber aus den 70er-Jahren derzeit ein kleines Revival erlebt.
Käfer, Granada, Mercedes 280
Rückblick: In den 70er- und 80-Jahren träumten Teile der Bodenseeregion davon, ein Stück näher ans bundesdeutsche Autobahnnetz heranzuwachsen. In Zeiten, als der Begriff „autofreie Innenstadt“allenfalls Kopfschütteln erzeugt hätte, sollte zwischen Singen und Lindau die Autobahn A 98 gebaut werden.
Nicht nur Kenner der Region wissen: Es gibt sie bis heute nicht und wird sie wohl nie geben. Gleichwohl lieferten sich Befürworter und Fans zu dieser Zeit erbitterte Kämpfe um den Bau der Straße.
Wer nun damals am liebsten von Lindau, Friedrichshafen oder Überlingen möglichst schnell auf die Autobahn kommen wollte, machte aus seiner Überzeugung keinen Hehl: „Bodensee-Autobahn JA“stand auf einem Aufkleber, der zahlreiche VW
Käfer, Ford
Granadas oder
Mercedes 280 damals schmückte.
„Ich habe versucht, noch an ein gutes Exemplar heranzukommen“, erzählt Christian Gleiser heute, mehr als 30 Jahre nach den damaligen Ereignissen. Doch bis auf ein verwaschenes Bild aus dem Internet will er keine Vorlage und keinen Ansprechpartner gefunden haben. Trotzdem wollte er seinem Bruder den Gefallen tun, auf sein altes Auto einen passenden Oldtimer-Aufkleber aus jener Zeit zu kleben. Schließlich sollte dessen OldtimerSammlung mit alten Bussen und VW Käfern authentisch aussehen. Gleinser macht sich also daran, den Aufkleber von der Vorlage Linie für Linie mit einem Computer-Grafikprogramm nachzuzeichnen. Besonders für die Schrift braucht er lange, bis die Buchstaben endlich so aussahen, wie im Original. „Ich denke, dass ich den echten Aufkleber zu mehr als 95 Prozent getroffen habe“, gibt sich Gleinser schließlich zufrieden.
Als der Hobby-Grafiker außerdem von seinen Plänen in der Facebook-Gruppe „Friedrichshafen – damals, gestern, heute“berichtet, erntet er enormen Zuspruch. Allein sein Post, dass er einen neuen Entwurf des Klebers wagen will, erntet mehr als 70 Likes und drei Dutzend Kommentare. Auch aus Gleinsers Freundeskreis kommen Anfragen nach dem Kleber.
Um die Nachfrage zu befriedigen, bietet er deshalb jetzt an, die Aufkleber nun an Liebhaber zu versenden. Es dürfte bald also wieder möglich sein, dass ein Auto mit „Bodensee Autobahn JA“durch die Straßen der Region fährt. Allerdings bestenfalls auf einer Bundesstraße.
Die Planungen der „Bodensee Autobahn A 98“nahmen nämlich in den 80er-Jahren ein jähes Ende. Nach Widerstand in vielen Seegmeinden, unter anderem nach einem verlorenen Bürgerentscheid in Überlingen, wird das Projekt Bodensee-Autobahn in der Mitte der 1980er-Jahre beerdigt. Als Alternative wird, in weiten Teilen im Bereich der geplanten Autobahntrasse, die Bundesstraße B 31 über Jahrzehnte ausgebaut.
Die Strecke gilt heute als Flickenteppich und eines der schlimmsten Nadelöhre für den Verkehr in der Region.