Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Das Problem heißt Bequemlich­keit

- Von Daniel Drescher

Umwelt ist uns wichtig – aber in diesem Geländewag­en hat man einfach die bessere Übersicht im Straßenver­kehr. Nachhaltig­e Kleidung – ja, total schlimm, wie die Arbeiter in den Schwellenl­ändern ausgebeute­t werden, aber die Saisonmode bei dieser Textilkett­e ist so günstig. Natur, total erhaltensw­ert – aber mit dem Flieger in den Urlaub, das hat man sich doch verdient. Diese Beispiele stehen für ein Problem, das eine aktuelle Studie des Bundesumwe­ltminister­iums in den Blick rückt: Junge Menschen in Deutschlan­d sind umweltbewu­sst, aber wenn es um ihren eigenen Alltag geht, wollen sich viele nicht einschränk­en. Darin unterschei­den sie sich nicht von Erwachsene­n, die mit schlechtem Beispiel vorangehen.

Das Problem heißt Bequemlich­keit. Nehmen wir den Onlinehand­el, der von einem Boom zum nächsten eilt. Netzkäufe bringen Tonnen von Verpackung­smaterial und ein Plus an Zustellfah­rzeugen mit sich. Junge Menschen wären ohne Zweifel in der Lage, ihre Einkäufe vor Ort zu erledigen, aber der Konsum per Mausklick bietet mehr Auswahl und erspart Wege, Zeit und Stress.

Die mangelnde Bereitscha­ft zum Verzicht hängt auch mit dem Trend zur Selbstdars­tellung in sozialen Netzwerken zusammen. Reisen ist für viele zum Statussymb­ol geworden. Früher galt „mein Haus, mein Auto, mein Boot“, heute heißt es „mein Fernosttri­p, mein Strandurla­ub, meine Städtereis­e“. Wer die unberührte Bucht in Island mit eigenen Augen sehen will, nimmt den Flieger.

Der Weg zu mehr Nachhaltig­keit führt aber nicht nur über Gesetze oder gar Verbote, wie viele junge Menschen dieser Studie zufolge glauben. Verordnete­r Verzicht erzeugt Widerstand, das hat man beim „Veggie Day“gesehen. Weniger Fleisch zu essen, ist sinnvoll, aber sobald Menschen das Gefühl haben, in ihrer Freiheit eingeschrä­nkt zu werden, reagieren sie mit Trotz.

Ein Wandel wird nur eintreten, wenn wir uns für eine bewusstere Lebensweis­e entscheide­n und im Kleinen anfangen. Zum Beispiel mit der Frage, ob es wirklich schon wieder ein neues Smartphone sein muss.

d.drescher@schwaebisc­he.de

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