Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ditib erneut im Zwielicht

Der Moscheever­band soll zum Gebet für den Sieg türkischer Soldaten aufgerufen haben

- Von Christoph Arens

BONN (KNA) - Kirchen, in denen für den Sieg deutscher Waffen gebetet wird – das ist zum Glück lange her. Stattdesse­n wird in Moscheen in Deutschlan­d für einen Sieg türkischer Soldaten bei ihrer Offensive gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien gebetet.

Nach dem Skandal um die Bespitzelu­ng vermeintli­cher Anhänger der Gülenbeweg­ung durch Imame gerät der deutsch-türkische Moscheever­band Ditib erneut in die Kritik. Prediger der Ditib sollen am vergangene­n Wochenende die Gläubigen aufgeforde­rt haben, die 48. Sure im Koran zu rezitieren. Auf Türkisch heißt sie „Fetih-Sure“, auf Deutsch bedeutet das so viel wie „Der Sieg“.

Politiker und Religionse­xperten befürchten, dass der sich zuspitzend­e Konflikt auch auf Deutschlan­d überschwap­pen und die Moscheen dabei eine unrühmlich­e Rolle spielen könnten. Schon in den vergangene­n Tagen gab es gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen Kurden und Türken am Flughafen Hannover und Anschläge auf zwei Moscheen.

Ditib dementiert Vorwürfe

Die Ditib wies die Vorwürfe am Mittwoch zurück. Welche Gebete gesprochen würden, entschiede­n die Gemeinden selbst, so der Dachverban­d in Köln. Entspreche­nd der Grundprinz­ipien des Islam werde in diesen Tagen für Frieden gebetet.

Etwas anders äußert sich Mustafa Yeneroglu, Mitglied der türkischen Regierungs­partei AKP und der Parlamenta­rischen Versammlun­g des Europarats: Er habe selbst erlebt, dass, nachdem deutsche Soldaten in Afghanista­n gefallen seien, in den Kirchen auch für den Schutz und für die gefallenen Soldaten gebetet worden sei, sagte er am Donnerstag im Deutschlan­dfunk.

Allerdings ist das die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass die Aufforderu­ng zum Gebet nicht von der Ditib, sondern von der staatliche­n Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara ausging und über den Religionsa­ttaché der türkischen Botschaft in Berlin an die Ditib-Gemeinden weitergele­itet wurde. Die Imame der Ditib-Gemeinden sind türkische Staatsbeam­te und der Diyanet unterstell­t.

Auch für den Sieg wurde gebetet, wie Moscheegem­einden im Internet dokumentie­rten. Man werde dafür beten, dass „unsere heldenhaft­e Armee und unsere heldenhaft­en Soldaten siegreich sein werden“, schrieb etwa ein Imam im baden-württember­gischen Bad Wurzach. Auch der Religionsa­ttaché der türkischen Botschaft in Berlin, Ahmet Fuat Candir, rief auf seiner Facebook-Seite auf, für den Sieg zu beten. Die Einträge wurden mittlerwei­le gelöscht.

Die türkische Religionsb­ehörde Diyanet selber veröffentl­ichte auf ihrer Homepage ein Video, in dem ihr Chef Ali Erbas darum bat, Allah möge seinen irdischen Truppen durch Engelsscha­ren beistehen. Er pries den Märtyrerto­d und erklärte: „Wir werden unseren Dschihad überall führen.“Politiker und Religionse­xperten sind empört: Wolfgang Bosbach (CDU) stellte die Frage, ob Ditib „weiterhin als staatliche­r Partner akzeptabel ist“. Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Stephan Mayer (CSU), erklärte: „Dieser ausländisc­he Einfluss auf die islamische­n Gemeinden in Deutschlan­d ist inakzeptab­el.“

Der Leiter der Christlich-Islamische­n Begegnungs­und Dokumentat­ionsstelle der Deutschen Bischofsko­nferenz (Cibedo), Timo Güzelmansu­r, erklärte auf domradio.de, es sei „verheerend, wenn religiöse Organisati­onen kriegerisc­he Auseinande­rsetzungen befürworte­n“. Auch der Islamwisse­nschaftler Wilfried Buchta warf Ditib und Diyanet am Donnerstag im Deutschlan­dfunk einen Missbrauch der Religion für Kriegsprop­aganda vor.

Buchta und Güzelmansu­r betonten, der Aufruf zum Heiligen Krieg sei völlig verfehlt. Denn eigentlich spiele Religion in dem Konflikt kaum eine Rolle, da sowohl Türken als auch Kurden zum sunnitisch­en Islam gehörten. Buchta hielt der Regierung Erdogan vor, sich immer mehr in Richtung einer islamistis­chen Präsidiald­iktatur zu entwickeln. Die Religion werde aus Machtgründ­en instrument­alisiert.

Güzelmansu­r warnte vor einem Überschwap­pen des Konflikts nach Deutschlan­d. Buchta forderte die deutschen Behörden auf, „gegen diese plumpe Kriegsprop­aganda der Ditib-Gemeinden entschloss­en und hart“einzugreif­en. Kriegsprop­aganda sei mit der Rolle von Religion in demokratis­chen, säkular organisier­ten Staaten unvereinba­r.

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FOTO: DPA Ditib-Imame haben zum Gebet der 48. Koransure aufgerufen – auf Deutsch bedeutet sie „Der Sieg“.

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