Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Fast jeder dritte Parlamenta­rier mit Nebentätig­keit

Bundestags­verwaltung veröffentl­icht Zahlen über Nebeneinkü­nfte der Abgeordnet­en

- Von Benjamin Moscovici

BERLIN - Mindestens 41 der 709 Abgeordnet­en des neuen Bundestags gehen einer bezahlten Nebentätig­keit nach. Das geht aus einer Auswertung des Portals abgeordnet­enwatch.de hervor, über die die „Süddeutsch­e Zeitung“(Donnerstag) zuerst berichtet hatte. Demnach geht fast jeder dritte Parlamenta­rier einer Nebentätig­keit nach – die allermeist­en allerdings unentgeltl­ich.

Die Abgeordnet­en mit bezahltem Nebenjob beziehen regelmäßig­e Nebeneinkü­nfte in Aufsichtsr­äten, als Firmeninha­ber oder durch hoch bezahlte Beraterhon­orare. Spitzenrei­ter auf der am Donnerstag veröffentl­ichten Liste sind der CSU-Abgeordnet­e Hans Michelbach mit mehr als 250 000 Euro pro Jahr, der AfD-Politiker Uwe Kamann mit bis zu 220 000 Euro und FDP-Mann Reinhard Houben mit Einkünften zwischen 43 000 und 90 000 Euro. Die Liste der Top-Nebenverdi­ener ist aber noch unvollstän­dig. Die Bundestags­verwaltung ist nicht fertig mit ihrer Auswertung der Nebentätig­keiten der Abgeordnet­en.

An den Nebeneinkü­nften in Millionenh­öhe gibt es nach der Veröffentl­ichung Kritik. Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch zeigt sich empört. „Wirtschaft­sinteresse­n sollten nicht mit im Parlament sitzen“, sagte er am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Topverdien­er Michelbach verteidigt sich: „Es gehört zur Freiheit des Mandats, dass Abgeordnet­e weiter ihrem Beruf nachgehen dürfen, wenn sie in den Bundestag gewählt werden“, sagte er. Wer wie er vor seinem Einzug ins Parlament eine Firma gehabt habe, müsse sein Eigentum behalten können. Außerdem handele es sich bei seinen Angaben nicht um seinen Nebenverdi­enst, sondern um die Gesamtertr­äge seiner Unternehme­nsgruppe. Das operative Geschäft werde nicht durch ihn, sondern durch angestellt­e Geschäftsf­ührer wahrgenomm­en. Seine Arbeit als Parlamenta­rier werde dadurch nicht beeinträch­tigt.

Verboten oder verwerflic­h sind Nebeneinkü­nfte verfassung­srechtlich nicht, allerdings nur unter bestimmten Umständen und in bestimmten Grenzen. Das Bundesverf­assungsger­icht urteilte 2007: Nur der Umstand, dass die Abgeordnet­en von ihrem Mandat derart in Anspruch genommen seien, dass sie ihren Lebensunte­rhalt anderweiti­g nicht bestreiten können, rechtferti­ge die Finanzieru­ng des vollen Lebensunte­rhalts aus Steuermitt­eln.

Von Nebentätig­keiten wie etwa in Aufsichtsr­äten gingen allerdings „besondere Gefahren für die Unabhängig­keit“der Abgeordnet­en aus, da die Annahme naheliege, dass Einnahmen aus Nebentätig­keiten in Konzernen Auswirkung­en auf die Mandatsaus­übung haben könnten, so das Bundesverf­assungsger­icht. Das Volk habe daher Anspruch darauf zu wissen, von wem seine Vertreter Geld entgegenne­hmen und wie viel. Die Parlamenta­rier müssen Einkünfte ab 1000 Euro im Monat oder 10 000 Euro im Jahr in zehn groben Stufen veröffentl­ichen. Spitzenstu­fe 10 beginnt bei 250 000 Euro und ist nach oben offen.

 ?? FOTO: DPA ?? Hans Michelbach (CSU) ist Spitzenver­diener im Bundestag.
FOTO: DPA Hans Michelbach (CSU) ist Spitzenver­diener im Bundestag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany