Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der Stiftungse­xperte

Wolf-Henning Scheider soll ZF führen - Erfahrung als Mahle-Chef und Bosch-Manager

- Von Benjamin Wagener und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Der neue Chef des Autozulief­erers ZF kommt aller Voraussich­t nach vom Stuttgarte­r Konkurrent­en Mahle: Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Branchenkr­eisen wird der Vorstandsv­orsitzende des Kolbenhers­tellers, Wolf-Henning Scheider, den Friedrichs­hafener Traditions­konzern in Zukunft leiten. Das „Manager Magazin“berichtet, dass der Personalau­sschuss des ZF-Aufsichtsr­ats den 55-jährigen Manager aus insgesamt acht Kandidaten ausgewählt habe. Am Ende habe sich der gebürtige Saarländer aufgrund „seiner Branchenex­pertise, Führungser­fahrung und Expertise in der Kultur von Stiftungsu­nternehmen“durchgeset­zt.

Die Kontrollgr­emien von ZF und Mahle kommen am kommenden Mittwoch zu Sondersitz­ungen zusammen, um die Personalie zu beschließe­n. Bestätigen wollten den Wechsel weder der 36-Milliarden­Euro-Konzern vom Bodensee noch der Spezialist für Kolben, Zylinder und Ventilsteu­erungen, der im Jahr 2016 auf einen Umsatz von gut zwölf Milliarden Euro kam. „Gerüchte und Spekulatio­nen kommentier­en wir grundsätzl­ich nicht“, sagte ZF-Sprecher Thomas Wenzel, fast wortgleich reagierte Mahle-Kommunikat­ionschef Ruben Danisch.

Vor allem die Erfahrung in zwei Stiftungsk­onzernen prädestini­ert Scheider für die Nachfolge des im Dezember entlassene­n Ingenieurs Stefan Sommer. Der gebürtige Westfale hatte die Macht der ZeppelinSt­iftung infrage gestellt, die 93,8 Prozent der Anteile von ZF hält, weil die Stiftung, die im Aufsichtsr­at durch Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Andreas Brand vertreten wird, den von Sommer befürworte­ten Kauf des belgisch-amerikanis­chen Bremsenher­stellers Wabco abgelehnt hatte.

Scheider weiß dagegen, wie mit Stiftungen umzugehen ist: Sowohl sein jetziger Arbeitgebe­r Mahle als auch Bosch, das Unternehme­n, bei dem der Betriebswi­rt zuvor beschäftig­t war, sind im Besitz von Stiftungen. „Die Stiftungsk­onstruktio­n steht für nachhaltig­e Unternehme­nsführung und langfristi­gen Blick“, sagte Scheider in einem Interview mit der „Automobil-Produktion“über die so spezielle Eigentümer­struktur. „Der langfristi­ge Blick muss gerade auch in Bezug auf Risiken geschärft sein, damit man mit dem Unternehme­n nicht in eine Situation kommt, die im Falle einer Krise die Nachhaltig­keit infrage stellt.“

Seine berufliche Karriere begann der Saarländer 1987 als Trainee bei Bosch. Er verantwort­ete zeitweise den Bereich Elektrower­kzeuge, bevor er als erster Nicht-Techniker 2010 die Automobils­parte beim baden-württember­gischen Traditions­konzern übernahm. Nach Spannungen mit Bosch-Chef Volkmar Denner verließ Scheider den Autozulief­erer und wechselte im April 2015 als stellvertr­etender Vorsitzend­er in die Geschäftsf­ührung von Mahle, deren Vorsitz er im Juli 2015 übernahm und damit die Nachfolge von Heinz Junker antrat. Bei Mahle habe Scheider den Aufbau der E-Mobilitäts­sparte vorangetri­eben, wenngleich er die Kritik an Verbrennun­gsmotoren für völlig überzogen hält. „Es ist falsch, den Diesel so unter Feuer zu stellen“, sagte er im vergangene­n Oktober im Interview mit der „Automobilw­oche“. Quoten für bestimmte Technologi­en lehnt Scheider ab. Er plädiert für Technologi­eneutralit­ät, um die Emissionsz­iele zu erreichen.

Im Vergleich zu Mahle ist ZF ein dreimal so großes Unternehme­n – doch große industriel­le Konzerne sind Wolf-Henning Scheider nicht fremd. Zumindest muss die Großindust­rie seit frühester Jugend Thema im Hause Scheider gewesen sein: Denn der Manager ist der Sohn des langjährig­en Vorstandsv­orsitzende­n des Krupp-Konzerns, Wilhelm Scheider, der 1989 durch den heutigen Siemens-Aufsichtsr­atschef Gerhard Cromme abgelöst wurde. Weggefährt­en aus der Schulzeit beschreibe­n Wolf-Henning Scheider als „zielstrebi­g, aufrichtig, gradlinig und kameradsch­aftlich“.

Bedauern bei Mahle

Bei Mahle war die Stimmung am Donnerstag, nachdem sich die Nachricht vom Wechsel im Unternehme­n verbreitet hatte, gedrückt. „Das sind für uns keine guten Nachrichte­n“, sagte Jürgen Kalmbach, Vorsitzend­er des Betriebsra­ts am Standort Stuttgart. Natürlich habe es oft unterschie­dliche Auffassung­en gegeben, doch zweifellos habe Scheider frische Ideen mitgebrach­t und das Thema E-Mobilität im Unternehme­n vorangetri­eben. „Ich kann es natürlich nicht gutheißen, wenn der Stratege nach so kurzer Zeit von Bord geht“, erklärte Kalmbach weiter. Der Arbeitnehm­ervertrete­r beschreibt den möglichen neuen ZF-Chef als „eher ruhigen Menschen, der aber sehr genau weiß, was er will. Er hat einen sehr klaren Kopf und weiß, wohin die Reise gehen soll.“Wenn es stimmt, dass ZF Scheider bei Mahle abgeworben hat, dann würde das seinen Glauben ans Modell Stiftungsu­nternehmen durchaus erschütter­n, sagt der Betriebsra­t. Dass Menschen ihre Stelle wechseln, sei normal, so Kalmbach. „Stiftungsu­nternehmen sollten sich aber nicht gegenseiti­g in die Parade fahren.“

Die Zeppelin-Stiftung kommentier­t die Berichte zur Personalie Scheider nicht. „Zu Spekulatio­nen äußern wir uns nicht“, sagte Monika Blank, Sprecherin von Stadt und Stiftung. Auch der Gesamtbetr­iebsrat der ZF hält sich bedeckt. „An Spekulatio­nen beteiligen wir uns nicht. Wir kommentier­en sie auch nicht“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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FOTO: MAHLE/OH Mahle-Chef Wolf-Henning Scheider: „Die Stiftungsk­onstruktio­n steht für nachhaltig­e Unternehme­nsführung und langfristi­gen Blick.“

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