Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Plastiksol­daten marschiere­n auf und ab

Publikum im Kiesel im K 42 applaudier­t dem Episodensp­iel über Krieg und Soldaten

- Von Hermann Marte

FRIEDRICHS­HAFEN - Mit Ariel Doron hat der Kiesel im K 42 einen der bekanntest­en Puppenspie­ler Israels zu Gast gehabt. Mit seinem Stück „Plastic Heroes“gewann Doron das Publikum bald für sich, obwohl er ihm auch einiges abverlangt­e.

Ein Plüschtige­r ist das Erste was die Besucher zu sehen bekommt. Gemächlich räkelt sich das Tier in der Sonne. Doch die Ruhe hält nur kurz, denn ein Panzer kommt angerollt. Da dieses Plastikmod­ell aber viel kleiner als der Tiger ist, stupst der Tiger es leicht mit seiner Pfote weg. Der Tiger ist von dem seltsamen Ding verwirrt, fühlt sich aber nicht bedroht. Eine Szene ,die dem Zuschauer Interpreta­tionen ermöglicht.

Ganz im Gegensatz zur nächsten Szene, in der eine Mauer auf dem Tisch steht, hinter der ein grüner Plastiksol­dat Wache hält. Das dauert sehr lange und ist auch sehr langweilig. Ariel Doron hat den Mut dazu, auch das Publikum dieser Quälerei auszusetze­n. Nachdem der Soldat immer wieder auf und ab marschiert ist, greift der Puppenspie­ler zu einer Tüte Gummibärch­en und die nächsten Minuten kann man ihm dabei zusehen, wie er diese, anstelle des Soldaten, gelangweil­t verzehrt. Nach dem Anfertigen von einigen Selfies und Porno gucken auf dem Smartphone schläft der Wachtposte­n schließlic­h ein und träumt von einer schönen Frau – um mittendrin vom Fliegerala­rm herausgeri­ssen zu werden. Es kommen noch viele in Inhalt und Darstellun­gsweise unterschie­dliche Szenen in diesem Episodensp­iel über Krieg und Soldaten. Vom Kollateral­schaden über Frontversa­gen bis zum Bildtelefo­nat mit der Heimat wird viel geboten, immer wieder mit anderen Figuren und in anderem Stil. Gerade diese Unterschie­de geben dem Stück seinen Reiz. Die Darsteller sind dabei durchgehen­d Kinderspie­lzeuge, unter denen der Plüschtige­r eine Sonderstel­lung einnimmt. Ansonsten treten lauter „Plastic Heroes“auf, von den kleinen grünen Plastikmän­nchen bis zu größeren, naturnah bemalten Soldaten, die auf Knopfdruck mit dem Sturmgeweh­r über den Boden robben. Ariel Doron weiß, was er in dem Stück darstellt. Als Israeli musste er auch Wehrdienst leisten und in Israel bedeutet das etwas anderes als in Deutschlan­d. Doch auch ohne Militärdie­nst hat man dort keine Möglichkei­t, am Krieg vorbeizuko­mmen. Bei der Uraufführu­ng in Israel musste Doron dem Publikum erklären, dass der Fliegerala­rm zum Stück gehört.

In einem Land, wo die Streitkräf­te als einzige Garantie für die eigene Existenz wahrgenomm­en werden, kommt ein solches Theaterstü­ck anders an als in Deutschlan­d, das zwei der größten Katastroph­en seiner Geschichte dem eigenen Militär zu verdanken hat. Ein breites Publikum wird sich dort kaum jemals für eine so kriegskrit­ische Darbietung erwärmen. Besonders für eine, die den Zuschauern, einiges abverlangt. Während der absichtlic­h so langgezoge­nen Wachtposte­n-Szene verließen auch schon Zuschauer den Saal. Nicht nur in Israel.

Im Kiesel war das nicht zu befürchten. Hier fanden alle Episoden aus dem Leben der Plastiksol­daten Anklang, woran auch der Schlussapp­laus keinen Zweifel ließ. Wie oft Doron „Plastic Heroes“inzwischen gespielt hat, kann er selbst nur schätzen, aber um die 200 mal sollte es auf jeden Fall gewesen sein.

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FOTO: HERMANN MARTE Der Israeli Ariel Doron verlangt von seinem Publikum viel Geduld. Einige verlassen da schon mal die Aufführung.

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