Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Spaßkandidaten haben keine Chance
Bescheinigung, Unterschriften, Gebühren – hohe Hürden auf dem Weg zum Bürgermeisteramt
RAVENSBURG - Ob wegen einer verlorenen Wette, als Idee aus einer Kneipennacht heraus geboren oder Dauer- und Mehrfachbewerber: Spaßkandidaten sind bei Bürgermeisterwahlen keine Seltenheit. Die Voraussetzungen sind gering, jeder soll grundsätzlich die Chance haben, eine Stadt oder Gemeinde regieren zu können. Allerdings springen Juxkandidaten oft wieder ab, sobald es in den ernsthaften Wahlkampf geht. Denn der kostet Geld und Zeit. Auf dem Weg ins Rathaus gibt es einiges zu beachten.
„Der Gesetzgeber hat auf solche Kandidaten reagiert“, sagt Paul Witt, Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl (Ortenaukreis). Um kandidieren zu können, muss von der Heimatstadt oder -gemeinde eine sogenannte Wählbarkeitsbescheinigung vorgelegt werden. „Für jede Kandidatur braucht man eine neue“, so Witt weiter. Und für die Bescheinigung können die Behörden eine Gebühr verlangen. „Dadurch hat das mit den Spaßkandidaten dann größtenteils aufgehört“, erklärt der Rektor. Wählbar ist der, der die Voraussetzungen des Bundeslandes erfüllt (siehe Kasten).
In Stuttgart sind 32 Euro fällig
Die Gebühren für die Bescheinigung fallen unterschiedlich aus. In Ravensburg kostet sie nichts, auch die bayerische Landeshauptstadt München verlangt kein Geld dafür. In Stuttgart werden hingegen 32 Euro fällig, in Aalen zehn Euro und in Sigmaringen 16 Euro. Sobald eine Kommune mehr als 20 000 Einwohner hat, braucht der Bewerber auch noch eine entsprechende Liste von Unterstützungsunterschriften. In Ravensburg wären es bei rund 50 000 Einwohnern 50 Unterschriften von in der Stadt gemeldeten Wahlberechtigten, die der Kandidat vorlegen müsste. „Das machen oft die Unterstützerkreise oder eben die Partei“, sagt Witt. Wer beides nicht hat, der muss selbst losziehen. Witt: „In großen Städten dominieren die parteigebundenen Bürgermeister. Da helfen die Parteimitglieder.“Allerdings müsse diese Liste nur vorgelegt werden, wenn der Bürgermeisterkandidat zum ersten Mal zur Wahl antritt.
Für diese Wahlneulinge gibt es Agenturen, die sich als „Bürgermeistermacher“helfend zur Seite stellen. Frank Kleinbrahm ist Geschäftsführer bei C hoch 3 in Illingen (Enzkreis) und hilft Kandidaten bei der Wahlvorbereitung. „Das ist nicht unser Kerngeschäft, wir betreuen so rund zwei Kandidaten im Jahr“, sagt er. Die Strategie ist wie im Werbegeschäft: „Es geht nicht darum, einen anderen schlecht zu machen. Sondern das eigene Produkt zu vermarkten.“ Also Marketingwahlkampf zu betreiben. „Das haben wir aus unserer Arbeit übertragen.“
Die meisten seiner Kunden hätten die Wahl auch gewonnen. „Die Arroganz aber zu sagen, wir machen Sie auf alle Fälle zum Bürgermeister, das geht nicht“, sagt er weiter. In erster Linie gehe es um die Person und die sei ausschlaggebend für einen Sieg. „Wir trainieren die Person, wir helfen bei den Reden, machen die Webseite und Prospekte, die an die Haushalte verteilt werden. Aber zum Schluss steht der Kandidat allein auf der Bühne und muss bestehen.“Glaubwürdigkeit sei das A und O. Die Mehrzahl der Kundschaft seien Quereinsteiger.
Wichtig sei auch, dass die Stadt oder Gemeinde eine gewisse Größe nicht übersteige. „Ansonsten findet man keinen Zugang mehr zu den Leuten und für Privatleute wird es dann auch zu teuer“, sagt Kleinbrahm. Kompetenz, Sympathie und Glaubwürdigkeit müssen die Grundpfeiler für den Kandidaten sein. „Man braucht Visionen für den Ort und muss mitreißen können. Das Fachwissen haben dann die Spezialisten im Rathaus.“Man muss nicht vom Fach sein, die Kandidatur muss aber ernst sein.
Iris Bohlen, Sprecherin des Gemeindetags Baden-Württemberg, meint: Spaßkandidaten hat es schon immer gegeben – auch Dauerbewerber. Ein Beispiel ist die Sindelfingerin Friedhild Miller, die seit 2014 nach eigenen Angaben bereits rund 50 Bewerbungen auf Bürgermeisterämter abgegeben hat. Die 48-Jährige versuchte am vergangenen Wochenende in Niederstetten und Ilshofen im fränkischen Nordosten von Baden-Württemberg ihr Glück. Außerdem schon in Ravensburg, Bad Schussenried (Landkreis Biberach) und Kolbingen (Landkreis Tuttlingen, die „Schwäbische Zeitung“berichtete). Zuletzt hat Miller ihre Bewerbung in Wolpertswende (Kreis Ravensburg) eingereicht.
85 Prozent aus der Verwaltung
Höhere Hürden für die Wahl zum Bürgermeister seien dennoch nicht sinnvoll, sagt Bohlen. „Dann könnte es unter Umständen weniger Kandidaten geben.“Letztlich entscheide der Wähler, wer für den Posten geeignet ist und wer nicht. Und da gewinnt laut Rektor Witt meist die Fachkompetenz. „85 Prozent der Bürgermeister in Baden-Württemberg sind gelernte Verwaltungsfachleute.“Aber es gebe keine berufliche Vorkenntnis, die erfüllt werden muss. Bei Wahlen, wie beispielsweise die eines Landrats, sehe das anders aus. Die werden nicht vom Volk direkt gewählt und so gibt es auch bestimmte Qualifikationen, die erfüllt werden müssen.
Dass ein Spaßkandidat zum Bürgermeister gewählt wurde, ist Bohlen vom Gemeindetag nicht bekannt. Auch Witt nicht. „Es gibt Fälle, bei denen Spaßkandidaten ein zweistelliges Ergebnis geholt haben. Aber gewählt wurde meines Wissens bislang noch keiner.“