Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Von schwimmend­en Brezeln und behaarten Außerirdis­chen

Da-Bach-na-Fahrt – eine einzigarti­ge Fasnetstra­dition aus Schramberg: Wagemutige Männer und Frauen fahren in umgebauten Zubern die Schiltach hinunter

- Von Lena Müssigmann

SCHRAMBERG (dpa) - In drei Wochen werden aus einfachen Holzzubern die bewunderte­n Objekte einer einzigarti­gen Fastnachts­tradition – der „Da-Bach-na-Fahrt“. So lange nämlich haben die teilnehmen­den Teams Zeit, einen Bottich aus Holzplanke­n kunstvoll zu verzieren. Am heutigen Rosenmonta­g werden die Gefährte in der Schiltach zu Wasser gelassen und müssen eine rund 500 Meter lange Fahrt möglichst unbeschade­t überstehen. Eine Jury bewertet an mehreren Stellen entlang der Strecke die Idee und die Optik der Zuberdekor­ation. Um Schnelligk­eit oder Trockenble­iben geht es nicht – wenn ein Zuber aber nur noch in Einzelteil­en ins Ziel kommt, gibt es dort wohl keine Punkte.

In einem alten Fabrikgebä­ude auf dem ehemaligen Gelände der Uhrenfabri­k Junghans surren die Bohrer und kreischen die Sägen. 25 von 40 Teams haben sich vor einigen Jahren aus dem Ideenschut­z der eigenen Garage oder Scheune gewagt, um hier gemeinsam an den Zubern zu basteln. Wer Hilfe braucht oder wem Werkzeug fehlt, der fragt einfach beim Team nebenan. Hier bastelt der Handwerker neben dem IT-Spezialist­en, der Mediengest­alter neben dem Arzt.

Oliver Merk hat einen Zuber mit Holz, Schaum und Papier zu einer schwimmend­en Brezel umgebaut. 20 000 Stück werden seinen Angaben zufolge am Fastnachts­sonntag in Schramberg verteilt. Merk wird zum 14. Mal bei der Da-Bach-na-Fahrt dabei sein. Nach üppigen Regenfälle­n zu Beginn des Jahres sei zu befürchten, dass die Schiltach vergleichs­weise voll sei und Teilnehmer­n eine turbulente Fahrt bevorstehe. Trotz der Gefahr, dass das Kunstwerk am Rosenmonta­g absäuft, hat sich Merk die Arbeit gemacht. „Weil’s Spaß macht.“

Motivwagen mit jährlich wechselnde­n Aufbauten zu aktuellen Themen kennt man eher aus dem rheinische­n Karneval. Aber auch in der schwäbisch-alemannisc­hen Fasnet gibt es neben historisch­en Figuren mit Masken und Häs die freie Fasnet, bei der seit jeher Lokalgesch­ehen glossiert wird, wie der Präsident der Vereinigun­g Schwäbisch-Alemannisc­her Narrenzünf­te, Roland Wehrle, erklärt.

In Schramberg fährt in diesem Jahr zum Beispiel der Wolf, der schon mehrfach im Schwarzwal­d gesichtet wurde, den Bach hinunter, außerdem ein Nest voller Fipronil-Eier. Viel öfter geht es aber um Lokalpolit­ik, Stadtgesch­ehen oder lustige Jubiläen – ein Zuber ist dem 30. Jahrestag der Landung des behaarten Außerirdis­chen Alf in Deutschlan­d gewidmet. Es sei ein Wesenskern der Fasnet, sich und anderen eine Freude zu machen. Den erfülle die „Da-Bachna-Fahrt“im besten Sinne. „Diese Tradition ist nach wie vor einmalig, da wurde Originalit­ät erhalten“, sagt Wehrle.

Die Zuber sind begehrt. Pascal (28) und Dominik Möller (24) sind zum ersten Mal dabei, sie hatten Glück bei der Auslosung des Jugendzube­rs, an der Schramberg­er unter 25 teilnehmen können. Aus einer kleinen Box an ihrem Arbeitspla­tz in der alten Werkhalle schallen Fastnachts­schlager. Papa Volker Möller und ein handwerkli­ch begabter Kumpel helfen beim Bauen – sie befestigen einen rund zwei Meter großen Handballsp­ieler auf dem Zuber. Dafür braucht es einen Klappmecha­nismus, damit das Floß unter den Brücken, die die Schiltach überspanne­n, hindurchpa­sst. „Das wird auf jeden Fall ’ne Gaudi“, sagt Dominik Möller, der schon immer mal mitfahren wollte. „Für Schramberg­er ist es das Größte, man kriegt es in die Wiege gelegt“, sagt sein Vater.

Wer das Rennen gewinnt, wird stadtbekan­nt. Wer verliert, den treffen Häme und Schadenfre­ude, erklärt Merk. „Den Batschnass-Orden will keiner haben.“Eine kühne Idee setzt Nico Knebel in die Tat um: Er baut seinen Zuber zur Titanic um – und will offenbar das Schicksal herausford­ern. Er ist schließlic­h ein Routinier: „Ich bin schon sechsmal trocken den Bach runtergeko­mmen.“

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FOTO: DPA Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Oliver Merk bei der Präparatio­n seines Brezelzube­rs.

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