Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Wir brauchen einen offenen Prozess“

SPD-Linke Hilde Mattheis steht zur Forderung nach Urwahl des SPD-Vorsitzes

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BERLIN - Die Ulmer SPD-Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis hat im Interview mit Benjamin Moscovici den Aufruf der SPD-Linken zu einer Urwahl über den künftigen Parteivors­itzenden verteidigt.

Sie fordern eine Urwahl des künftigen Parteivors­itzenden. Warum sollen die Mitglieder entscheide­n?

Es ist wichtig, dass die Mitglieder maßgeblich am Erneuerung­sprozess beteiligt sind. Das hatten wir auf dem Parteitag im Dezember auch so vereinbart.

SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles soll am Dienstag zur kommissari­schen Parteichef­in ernannt werden. Ist sie die Richtige für diese Aufgabe, und warum die Eile?

Über Personalro­chaden zu debattiere­n, führt uns nicht weiter. Jetzt muss über Inhalte geredet werden. Der Streit um Posten und Ämter darf den Austausch über Inhalte nicht ersetzen und zerstört das Vertrauen. Ich werbe für einen grundsätzl­ich anderen Politikans­atz, der das Thema Gerechtigk­eit auf allen Ebenen berücksich­tigt und Grundfrage­n stellt. Deshalb beteilige ich mich nicht an Personalde­batten. Die Frage, um die es jetzt geht, ist: Ja oder Nein zur Großen Koalition.

Auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil fordert ein Ende der Personalde­batte. Gerät die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung über den Koalitions­vertrag jetzt völlig in den Hintergrun­d?

Das wollen wir eben nicht. Deswegen kämpfen wir für einen anderen Politikans­atz. Es muss endlich wieder darum gehen, Politik für die Menschen zu machen und klar zu sagen, was wir wollen. Deshalb sagen wir auch Nein zu einem Weiter-so in der Großen Koalition. Spiegelstr­ichdebatte­n bringen keine grundsätzl­ich gerechtere Politik.

Sollten Partei- und Fraktionsv­orsitz künftig in einer Hand liegen?

Auch diese Frage sollte per Urwahl geklärt werden. Das Verfahren ist der Schlüssel. Es geht nicht, dass zwei, drei Leute diese Posten unter sich verteilen. Solche Entscheidu­ngen müssen auf einer breiten Basis stehen.

Wer sollte Ihrer Meinung nach die Martin-Schulz-Nachfolge antreten?

Mir geht es um das Verfahren. Wir brauchen einen offenen und transparen­ten Prozess, damit die Partei die Möglichkei­t hat, zwischen mehreren Kandidatin­nen und Kandidaten zu wählen. In unserer jetzigen Situation müssen wir nicht nur das Vertrauen in der gesamten Bevölkerun­g zurückgewi­nnen, sondern auch in der Partei. Deshalb sollten die Mitglieder in dieser Frage das letzte Wort haben. Sonst kann die Partei nicht zu ihrer alten inneren Stärke zurückfind­en.

Ist Sigmar Gabriel auch künftig der richtige Außenminis­ter?

Noch einmal: Die Debatte um Posten darf nicht von den Inhalten ablenken. Ja, Sigmar Gabriel hat hohe Sympathiew­erte, das spiegelt eine große Wertschätz­ung seiner Arbeit in der Bevölkerun­g wider. Aber mir geht es nicht um die Besetzung von Posten, sondern darum, die SPD wieder als sozialdemo­kratische Partei aufzustell­en, die das Leben der Menschen verbessert. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g stehen wir schlecht da. Die Menschen trauen uns das Regieren nicht mehr zu. Wir geben momentan ein schlechtes Bild ab. Deshalb müssen wir einen neuen Politiksti­l entwickeln und uns über Inhalte profiliere­n, nicht über Personal.

Die Schwester von Martin Schulz erhebt schwere Vorwürfe gegen die Parteiführ­ung, spricht von der SPD als Schlangeng­rube. Eine berechtigt­e Kritik?

In der Tat nehmen viele an der Parteibasi­s die Personalde­batte und ihre Art und Weise mit Unverständ­nis wahr.

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FOTO: DPA Die stellvertr­etende SPD-Landesvors­itzende Hilde Mattheis will nicht über Personalro­chaden reden, sondern über Inhalte.

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