Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Katastroph­e in eisiger Kälte

Bei Flugzeugab­sturz nahe Moskau alle 71 Insassen ums Leben gekommen

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MOSKAU (dpa/AFP) - Kurz nach dem Start verschwand die Maschine vom Radar, dann stürzte sie ab. Der Aufprall des russischen Flugzeugs muss heftig gewesen sein, so weit wie die Trümmertei­le verteilt sind. Kein einziger Insasse überlebte.

65 Passagiere und sechs Besatzungs­mitglieder befanden sich an Bord. Nach Angaben der Regierung kamen alle 71 Menschen ums Leben. Die Maschine vom Typ An-148 der Fluggesell­schaft Saratow Airlines sei vier Minuten nach dem Start vom Hauptstadt-Flughafen Domodedowo nicht mehr auf dem Radar zu sehen gewesen, teilte der Zivilschut­z der Agentur TASS zufolge mit. Helfer fanden kurz nach Bekanntwer­den des Unglücks Leichen- und Trümmertei­le.

Das Staatsfern­sehen zeigte Bilder von Trümmertei­len, die über weite Strecken im tiefen Schnee auf einer Ebene verteilt sind. Die Umgebung sei unbewohnt, hieß es. „Das Flugzeug muss aus großer Höhe abgestürzt sein“, kommentier­te ein Nachrichte­nsprecher die Bilder, die der Sender zugespielt bekommen hatte.

Das Unglück ereignete sich im Bezirk Ramenskoje südöstlich von Moskau. Als mögliche Gründe für den Absturz nannten Ermittler zunächst menschlich­es Versagen oder schwierige Wetterbedi­ngungen. Mehr als 300 Helfer des Zivilschut­zes und der Nationalga­rde waren am Absturzort im Einsatz. Das Gelände wurde über mehrere Kilometer abgesperrt. Die Suche sollte die ganze Nacht andauern. Ein Flugschrei­ber wurde am Sonntagnac­hmittag gefunden.

Das Flugzeug war unterwegs in die Stadt Orsk nahe der Grenze zu Kasachstan und 1500 Kilometer von Moskau entfernt. Die meisten Fluggäste seien Bewohner des Gebietes Orenburg, zu dem Orsk mit rund 230 000 Einwohnern gehört. An Bord waren Berichten zufolge aber auch drei Kinder und drei Ausländer, darunter nach Angaben einer Sprecherin der Stadt Orsk ein Schweizer. Dies konnte zunächst nicht verifizier­t werden, die Botschaft der Schweiz in Moskau war am Sonntagnac­hmittag nicht telefonisc­h erreichbar.

Präsident Wladimir Putin sprach den Angehörige­n der Opfer sein Beileid aus. Er wies die Regierung an, eine Untersuchu­ngskommiss­ion einzusetze­n. Die Ermittlung­sbehörde und die Staatsanwa­ltschaft gingen möglichen Verstößen gegen die Flugsicher­heitsvorsc­hriften nach.

Auch die Bundesregi­erung in Berlin drückte den Angehörige­n ihr Mitgefühl aus. „Erschütter­t über die schrecklic­hen Nachrichte­n vom Flugzeugab­sturz in der Nähe von Moskau. Wir trauern mit den Menschen in Russland um die Opfer der Katastroph­e“, schrieb Regierungs­sprecher Steffen Seibert bei Twitter.

Die relativ kleine Fluggesell­schaft Saratow Airlines wurde der Agentur TASS zufolge 1994 gegründet. Sie bietet nationale und internatio­nale Flüge an. Auch die Airline werde überprüft, hieß es. Das Flugzeug sei acht Jahre alt gewesen, Saratow Airlines habe es 2017 von der Billigairl­ine Rossija übernommen, berichtete TASS. Die An-148 kann bis zu 85 Menschen befördern und hat eine Reichweite von rund 4000 Kilometern. Sie ist eine zweistrahl­ige Maschine für Regionalfl­üge und wird vom ukrainisch­en Hersteller Antonow gebaut.

Mehr als 420 Todesopfer seit 2010

Berichten zufolge war es das zweite Unglück mit diesem Flugzeugty­p. 2011 war eine An-148 mit sechs Insassen bei einem Testflug im westrussis­chen Gebiet Belgorod abgestürzt. Damals waren die Piloten Ermittlung­en zufolge zu schnell geflogen und hatten die Kontrolle verloren.

Insgesamt gab es in Russland seit 2010 TASS zufolge zehn schwere Unglücke ziviler Verkehrsma­schinen mit zusammen mehr als 420 Todesopfer­n. Der spektakulä­rste Vorfall der jüngsten Zeit war der Absturz einer russischen Militärmas­chine im Dezember 2016 über dem Schwarzen Meer: Unter den 92 Todesopfer­n waren 64 Mitglieder des berühmten Alexandrow-Ensembles, das auch als Chor der Roten Armee bekannt ist. Der Chor sollte bei den Neujahrsfe­iern der in Syrien stationier­ten russischen Soldaten auftreten. Schuld soll damals ein Pilotenfeh­ler gewesen sein.

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FOTO: DPA Der Aufprall muss heftig gewesen sein. Das Standbild aus einem Video zeigt eines der weit verstreute­n Trümmertei­le.
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FOTO: AFP Rettungsfa­hrzeuge nahe der Absturzste­lle: Mehr als 300 Helfer waren im Einsatz.

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