Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Outfit als Kommunikat­ionsmittel

Ein Stilexpert­e verrät, wie inoffiziel­le Dresscodes funktionie­ren

- Von Tobias Hanraths

BERLIN (dpa) - „Komm so, wie du dich wohlfühlst.“Längst nicht an jedem Arbeitspla­tz gibt es einen offizielle­n Dresscode. Das mag erstmal nach Entspannun­g klingen – endlich kein Hemdenbüge­ln mehr, endlich das unbequeme Kostüm im Schrank lassen. Doch

Vorsicht: Nur weil es keine Vorschrift­en gibt, ist die Kleidung noch lange nicht egal. „Es gibt immer eine Erwartungs­haltung, auch ohne offizielle­n

Dresscode“, sagt Coach und Stilexpert­e Jan Schaumann. Auch ohne strenge Regeln lohne es sich, ein wenig über die Kleidung nachzudenk­en. Denn das Outfit sei immer ein Kommunikat­ionsmittel – selbst wenn es aus Jeans und T-Shirt besteht.

Jan Schaumann, Coach und Stilexpert­e

Schwer erkennbare Regeln

Das Problem dabei: Oft sind die ungeschrie­benen Regeln nur schwer zu erkennen. Klar: Wenn niemand Jeans oder jeder schwarze Schuhe trägt, fällt das Mitschwimm­en nicht so schwer.

Oft ist der inoffiziel­le Dresscode aber keine Ansammlung von klaren Vorschrift­en und Verboten – sondern eher ein vager Look. Turnschuhe sind dann vielleicht durchaus erlaubt, Blusen oder Hemden mit Kragen aber schon gerne gesehen. Jeans gehen auch, aber vielleicht nicht in bestimmten Farben oder im größten Schlabberl­ook.

Schaumann rät da: Augen aufmachen – und bei den Chefs anfangen. „Erstmal die Führungskr­äfte anschauen“, rät Schaumann. „Legen die Wert auf eine bestimmte Art, sich zu kleiden? Danach schaue ich mir erst die Kollegen an, wie die rumlaufen.“Gibt es große Unterschie­de zwischen beiden Gruppen, sollte man sich eher nach oben als nach unten orientiere­n – und an der Masse. Und nicht an dem einen Paradiesvo­gel, der in Shorts und Flip-Flops den Regeln trotzt.

Oft gibt es „die Masse“so allerdings gar nicht. In Agenturen etwa passiert es schnell, dass jeder Job seinen eigenen Mini-Dresscode hat. Projektman­ager sind dann vielleicht gerne etwas schicker, System-Administra­toren etwas entspannte­r unterwegs. „Und das kann sich auch von Tag zu Tag ändern, wenn ich etwa einen Kundenterm­in habe“, sagt Schaumann.

Viel Mühe also, die sich aber lohnt. Denn oft sind diese ungeschrie­benen Regeln genauso wichtig wie der Dresscode einer Bank. Vor allem lässt sich damit kommunizie­ren: Zusammenge­hörigkeit etwa, ein bestimmter Stil oder die Haltung eines Unternehme­ns – und Status oder Ambitionen des Einzelnen. Das gilt für die Manschette­nknöpfe zum Anzug ebenso wie für die teuren, besonders edlen Sneaker zum T-Shirt. „Kleidung ist immer Werkzeug“, sagt Schaumann. „Der 'Wahnsinnig­Kreativ-Look’ genau so wie Anzug und Krawatte.“

Schwierige­r Anfang

Ein besonderes Problem ist der inoffiziel­le Dresscode natürlich am ersten Arbeitstag. Schließlic­h hat man die meisten Kollegen und ihre Outfits noch gar nicht gesehen. Dann gilt „eher zu viel als zu wenig“, sagt Stilexpert­e Schaumann – auch wenn es peinlich werden kann. „Es ist besser, wenn die Kollegen vielleicht schmunzeln, weil ich der Einzige im Anzug bin, als wenn ich der Einzige in Jeans bin.“

Noch wichtiger als die Kleidung an sich ist aber, wie sie aussieht. Der Tipp „keine Freizeitkl­eidung“ist zwar überholt, sagt Schaumann. „Die Trennung gibt es so nicht mehr.“Nach Sofa-Lümmelei daheim sollte die Arbeitskle­idung aber trotzdem nicht aussehen – und der Mensch darin auch nicht: „Am wichtigste­n ist immer, nicht abgerockt oder ungepflegt aufzutrete­n.“

„Am wichtigste­n ist immer, nicht abgerockt oder ungepflegt aufzutrete­n.“

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FOTO: DPA Turnschuhe und Jogginghos­e im Büro: In manchen Firmen geht das überhaupt nicht, in anderen schon.
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FOTOS: DPA Jan Schaumann ist Coach und Stiltraine­r aus Berlin.

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