Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Gratis-Busse für saubere Luft

Deutschlan­d will mit der Idee Klage der EU verhindern

- Von Hannes Koch

BERLIN (dpa/hko) - Weil es Deutschlan­d nicht schafft, die Grenzwerte bei der Luftversch­mutzung einzuhalte­n, könnten drei Städte im Südwesten bald in den Genuss von kostenlose­m Nahverkehr kommen. Das schlägt die Bundesregi­erung angesichts einer drohenden Klage der EU vor. Neben Bonn und Essen gehören Mannheim, Reutlingen und Herrenberg zu den geplanten fünf Modellkomm­unen. Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) äußerte sich zurückhalt­end: „ÖPNV zum Nulltarif würden die Kommunen nur mit Unterstütz­ung durch den Bund können.“

In einem Brief an die Kommission, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, hatten drei Bundesmini­sterien den Plan skizziert. Dort heißt es: „Mit den Ländern und Gemeinden erwägen wir kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr, um die Zahl der Privatfahr­zeuge zu verringern.“Nähere Details fehlen aber.

BERLIN - Um die Luftversch­mutzung zu reduzieren, erwägt die geschäftsf­ührende Bundesregi­erung einen kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr in den Städten. Zusammen mit den Bundesländ­ern und den Kommunen sei dies eine mögliche Maßnahme, um die Zahl der Privatauto­s zu reduzieren, schreiben Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsmi­nister Christian Schmidt (CSU) und Finanzmini­ster Peter Altmaier (CDU) in einem Brief an die EU-Kommission. Getestet werden solle dies zunächst in Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen.

Die Bundesregi­erung will die EUKommissi­on milde stimmen. Diese erwägt eine Klage am Europäisch­en Gerichtsho­f unter anderem gegen Deutschlan­d. Denn in Dutzenden Städten übersteige­n die vor allem durch Dieselfahr­zeuge verursacht­en Stickoxid-Emissionen die Grenzwerte. Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) war kürzlich in Brüssel, um die Gegenmaßna­hmen der Bundesregi­erung zu erläutern. Acht teilweise „neue“Maßnahmen werden in dem Brief erwähnt. Neben Nulltarif im öffentlich­en Nahverkehr sind das „bindende Abgas-Grenzwerte“für Busse, Taxis, Carsharing-Autos und Lkw. Das entspreche­nde Gesetz soll schon dieses Jahr in Kraft treten. Weitere Maßnahmen: Fahrbeschr­änkungen für bestimmte Straßen und Stadtviert­el, zusätzlich­e Anreize für Elektromob­ilität und „technische Umrüstung“von Fahrzeugen, soweit „wirksam und ökonomisch sinnvoll“.

Zwei entscheide­nde Punkte zum Realitätsg­ehalt des Vorhabens nennt der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen, dem unter anderem kommunale Betriebe angehören. Die Firmen würden durchschni­ttlich über die Hälfte der anfallende­n Kosten durch den Verkauf von Tickets für Busse und Bahnen einnehmen, erklärte Vizesprech­erin Rahime Algan. Die Summe betrage rund zwölf Milliarden Euro jährlich bundesweit. Wenn also durch den Verkauf der Fahrschein­e kein Geld hereinkomm­t, muss irgendwer den Verlust tragen – die jeweilige Stadt, das Land oder der Bund. Die geschäftsf­ührende Regierung und die entstehend­e Große Koalition haben zwar Milliarden Euro für die Abgasverme­idung in Städten ausgelobt, von zusätzlich­en Ausgaben für einen Nulltarif war aber bisher nicht die Rede.

Außerdem, sagt Algan, sei bei Nulltarif „mit viel mehr Fahrgästen“in Bussen, Straßen- und U-Bahnen zu rechnen. Die Kommunen müssen zusätzlich­e Fahrzeuge einsetzen oder kaufen. Sie brauchen auch mehr Personal. Teilweise werden die Linien und Schienen nicht reichen. Dieser Ausbau muss stattfinde­n, bevor man den Nulltarif einführt, sonst schafft das System den zu erwartende­n Ansturm nicht. Das kostet ebenfalls Geld, von dem nicht klar ist, woher es kommen soll.

Der Deutsche Städtetag zeigte sich „überrascht über die Ankündigun­g der Bundesregi­erung. Die Idee, Tickets im Nahverkehr günstiger zu machen, gibt es in der Tat in einigen Städten. Wer das will, muss das aber auch finanziere­n können. Wenn der Bund jetzt den Vorschlag macht, über solche Wege nachzudenk­en, erwarten wir eine klare Aussage“zur Finanzieru­ng.

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FOTO: DPA Bus statt Auto – neue Anreize sollen zum Umstieg verhelfen.

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