Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein Oscar für Ehrlichkeit
Es wird viel darüber debattiert, dass wir in einer immer egoistischeren, immer rücksichtsloseren Gesellschaft leben. Wer regelmäßig auf der Autobahn unterwegs ist, kann durchaus diesen Eindruck gewinnen. Die verbale Aggression, die in Onlinekommentaren wie bei Facebook gängig ist, scheint manchmal ins reale Leben überzuschwappen.
Aber es gibt sie, die Momente, die einem den Glauben an die Menschheit zurückgeben. So etwa am Maskenball im Graf-Zeppelin-Haus vergangenen Samstag: Am Ende der Partynacht verlor ich meinen Geldbeutel. Das wäre mir allerdings gar nicht rechtzeitig aufgefallen. Denn es passierte kurz bevor sich meine Mitfahrgelegenheit in Bewegung setzte. Aufbruchstimmung und Müdigkeit hatten die Regie übernommen. Dann der Ruf eines Mitfeiernden: „Hey Moment, hier, dein Geldbeutel, eine junge Frau hat ihn gefunden.“Wow. Wie gesagt: Es war spät und meistens verliert man Dinge aus dem banalen Grund, dass man nicht bemerkt, wenn sie auf einmal nicht mehr da sind.
Nicht auszudenken, was der Verlust dieses Alltagsgegenstandes bedeutet hätte. Neben 50 Euro in bar waren unter anderem Personal- und Presseausweis, Kredit-, Gesundheitsund EC-Karte, Fahrzeug- und Führerschein, Blutspendepass und ein Polaroid mit der Verlobten in diesem Portemonnaie enthalten. Die Wiederbeschaffung aller Dokumente hätte mich enorm viel Zeit, Geld und Nerven gekostet. Darum: Vielen Dank! Der Oscar für Ehrlichkeit geht an dich, liebe Finderin. Ich hoffe, dass jeder Mensch, der in seiner Dusseligkeit etwas verliert, einen Menschen wie dich um sich herum hat. Dann wäre diese Welt nämlich, so naiv und idealistisch das klingen mag, ein besserer Ort.