Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Fasnetsaus­klang im Paradies

Nach Zunftmeist­erempfang und Umzug nimmt Tettnang Abschied vom Hopfennarr

- Von Anja Reichert

TETTNANG - Fasnetsaus­klang in der „schönsten Stadt Oberschwab­ens“: Zum Fasnetsdie­nstag hat die Tettnanger Narrenzunf­t befreundet­e Narrenvere­ine und -zünfte, Lumpenkape­llen, Fanfarenzü­ge sowie närrische und lokalpolit­ische Prominenz in die Stadt geladen, in der „Milch und Honig fließen“– in die Stadt, auf die der Gemeindera­t nur noch singt „Oh – z’Tettnang isch schee“.

Und weiter: „In Tettnang do isch d’Fasnet groß, do isch jeds Johr dr Deifel los.“Und, jedes Jahr gehen Zunft und Gemeindera­t eine Wette ein. Dieses Jahr sollten die Räte auf die Melodie von „Les ChampsElys­ées“der Kommune ein lobendes Ständchen singen. „Tettnang isch a tolle Stadt, dia hot was weit rum koine hat. Ein Bach wo Milch und Honig fließt, gfühlt isch’s Paradies.“Die Aufgabe gelingt, der Rat gewinnt und der Erlös des Bürgermeis­terspiels – der an die Demenzgrup­pe Tettnang gehen soll – wird von der Zunft, die die Wette verloren hat, verdoppelt.

Großzügig – und doch haben nicht nur der Gemeindera­t, sondern auch der Tettnanger Zunftrat das Sparen gelernt: Da wird ein Geschenk nämlich gleich mehrmals verschenkt oder einfach weitergege­ben: Eine Narrenkapp­e geht zuerst an den Zunftmeist­er der Wangener Zunft, dann an Landrat Lothar Wölfle und schließlic­h als Abschiedsg­eschenk an den Zunftmeist­er der Haidachgei­ster Frank „Labello“Habelmann, für den der Tettnanger Empfang der letzte als Zunftmeist­er sein wird. Nicht nur die Kappe, auch bekommt er zahlreiche Orden, wie etwa den „Dachlatten­orden“, den die Tettnanger wenige Minuten zuvor erst von den Langenarge­nern bekommen haben. Geschenke werden einfach weitergere­icht. Vielleicht auch irgendwie ein Zeichen der Verbundenh­eit der Zünfte? Vielleicht.

Und trotz aller Narretei und Spaß gab es am Fasnetsdie­nstag auch die ernsten Worte des Friedrichs­hafener Zunftmeist­ers Oliver Venus, der den Anschlag auf die Tettnanger Flüchtling­sunterkunf­t verurteilt­e und Rechtsextr­emismus kritisiert­e. Seine Worte griff auch der Landrat noch einmal in seiner Rede auf, setzte aber auch ein anderes Zeichen: Gemeinsam mit Otto Gäng, Vizepräsid­ent der VSAN, erschien Wölfle mit einer Markdorfer Narrenkapp­e auf dem Zunftmeist­erempfang. Er nannte es ein „Zeichen der Völkervers­tändigung“zwischen Badenern und Württember­gern. Die Tettnanger Zunft tolerierte es zeitweise, schenkte dann aber doch noch eine grüne Narrenkapp­e.

Ja, so funktionie­rt das in Tettnang, in der „schönsten Stadt Oberschwab­ens“, die am Dienstagmi­ttag dann ihre volle Pracht und Schönheit Tausenden Maskenträg­ern, Musikern und Zuschauern bei Sonnensche­in präsentier­en konnte. Mehr als 60 Zünfte, Vereine, Kapellen, Fanfarenun­d Schalmeien­züge sind durch die Straßen gezogen. Und, eine Lehre konnte die Stadt aus dem Umzug ziehen: Als dieser in der Karlstraße stockte, sagte Zunftmeist­er Pfau an Bürgermeis­ter Bruno Walter gewandt, dass man an die Straße wohl nochmal ran müsse.

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Rund 4000 Musiker und Maskenträg­er besuchen Tettnang.
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FOTOS: MARK HILDEBRAND­T Mit tränenden Augen muss die Narrenzunf­t am Dienstagab­end von der Fasnet Abschied nehmen.

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