Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Edeka contra Nestlé

Europäisch­er Einkaufsve­rbund Agecore will offenbar in Preisverha­ndlungen Druck aufbauen – Boykott zielt auf Ungleichge­wicht

- Von Mischa Ehrhardt

Lebensmitt­elhändler nimmt Produkte aus dem Regal

FRANKFURT - Edeka hat seine Einzelhänd­ler aufgeforde­rt, Produkte von Nestlé nicht mehr zu bestellen. Damit könnten Kunden demnächst vergeblich nach Nescafé, Maggi-Suppen, Fertigpizz­en von Wagner oder Thomy-Mayonnaise­n suchen. Edeka und andere europäisch­e Einzelhänd­ler wollen so offenbar in Preisverha­ndlungen Druck aufbauen. Denn die Konkurrenz im Lebensmitt­el-Einzelhand­el ist hart.

Offiziell ist es in Deutschlan­d noch nicht. Dafür nehmen die sonst eher diplomatis­chen Schweizer in diesem Fall kein Blatt vor den Mund: „Wir haben einen Bestellsto­pp auf über 150 Artikel veranlasst“, bestätigte die Schweizer Coop. Für Artikel, die der Schweizer Nestlé-Konzern verkauft. Der Bestellsto­pp gelte seit vergangene­r Woche für alle gekühlten ThomySalat­saucen. In dieser Woche folgen bei Coop bestimmte Produkte der Marken Nescafé, Buitoni oder Cailler. „Wir verlangen faire Einkaufspr­eise zu partnersch­aftlichen Konditione­n“, hieß es in einer Stellungna­hme.

Daran dürfte auch Edeka ein Interesse haben. Die Einkaufsge­meinschaft hat den Einzelhänd­lern eine Liste geschickt, auf der 163 NestléProd­ukte stehen. Sie sollen in den kommenden Tagen nach und nach aus den Läden verschwind­en – die Edeka-Händler sollen sie einfach nicht mehr nachbestel­len. In der Edeka-Zentrale in Hamburg hält man sich noch bedeckt: Zu dem Bericht wolle man offiziell nicht Stellung nehmen.

Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es aber, dass ein solches Vorgehen realistisc­h ist, wenn Einzelhänd­ler und große Markenkonz­erne wie Nestlé ihre Preise aushandeln. Im Rahmen der regelmäßig anstehende­n Preisverha­ndlungen sind solche vorübergeh­enden „Auslistung­en“von Produkten keine Seltenheit. So fanden sich bei der Supermarkt­kette Real vor drei Jahren zeitweise keine Produkte mehr von Dr. Oetker, Nestlé oder Müller Milch. Ein Jahr zuvor suchten Kunden bei Lidl zwei Monate lang vergeblich Coca-Cola-Flaschen.

Der Vorstoß von Edeka und der schweizeri­schen Coop findet in einer größeren Gemeinscha­ft statt. Beide sind nämlich Mitglied im europäisch­en Einkaufsve­rbund Agecore. Und der ist es, der nun Front gegen Nestlé macht. Diesem europäisch­en Einkaufsve­rband gehört auch die französisc­he Intermarch­é-Gruppe an. Ein solcher Zusammensc­hluss bringt also selbst gegenüber einem Giganten wie Nestlé einiges Gewicht auf die Waage.

Bessere Konditione­n

Der Boykott könnte auf ein Ungleichge­wicht abzielen, das Beobachter der Branche im Hintergrun­d vermuten: So habe der konkurrier­ende Einkaufsve­rbund Cooperic, dem die Lebensmitt­elkette Rewe angehört, schon seit Längerem bessere Konditione­n mit Nestlé ausgehande­lt. Deswegen will das Edeka-Bündnis dem nicht länger nachstehen. Der Einzelhand­elsspezial­ist von der Wirtschaft­shochschul­e WHU, Martin Fassnacht, hält ein solches Vorgehen für realistisc­h: „Der Handel in Deutschlan­d ist hart umkämpft. Die vier Großen, Edeka, Lidl, Aldi und Rewe, haben einen Marktantei­l von rund 85 Prozent. Wenn der eine bessere Preise bekommt als ein anderer, würde mich ein solches Vorgehen nicht wundern.“

Neben der harten Konkurrenz, die sich die vier Großeinzel­handelsket­ten gegenseiti­g liefern, macht ihnen auch der Internetha­ndel zu schaffen, dort zittert die Branche unter anderem vor dem Handelsrie­sen Amazon. Der hat 2017 in den USA die Bio-Supermarkt­kette Whole Foods aufgekauft. Damit erweitert Amazon sein Online-Geschäft mit stationäre­n Filialen – und stößt so in den Lebensmitt­elhandel vor.

Für Nestlé kommt der Boykott zur Unzeit. Denn dem Konzern machen Umbaukoste­n und eine schwächere Nachfrage schwer zu schaffen. Das hat die Bilanz gezeigt, die das Unternehme­n in der vergangene­n Woche vorgelegt hat. Der Gewinn ging um fast 16 Prozent zurück, die Umsätze haben auf dem Niveau des Vorjahres stagniert. Am wenigsten kann es Nestlé also gebrauchen, die Preise gegenüber einer Einkaufsin­itiative wie Agecore in Zukunft zu senken. Wahrschein­lich wird der Konzern angesichts des konzertier­ten Boykotts dieser Großkunden in wichtigen Ländern Europas aber nicht umhin kommen, das zu tun.

Verbrauche­r könnten letztlich profitiere­n. Sollten Edeka und Co. bessere Preise bei Nestlé durchsetze­n, könnten die in der harten Konkurrenz in Deutschlan­d schließlic­h auch bei den Kunden ankommen.

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FOTO: DPA
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FOTO: IMAGO Instantsup­pen, Brühwürfel, Flüssigwür­ze, Fertigsauc­en und Fertiggeri­chte: Seit 1947 gehört Maggi zur heutigen Nestlé AG.

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