Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kronprinzessin will sie nicht sein
Annegret Kramp-Karrenbauer wird neue CDU-Generalsekretärin
BERLIN - „Eine gute Wahl“, sagt Junge-Unions-Chef Paul Ziemiak. „Eine sehr gute Entscheidung für die CDU“, lobt Thomas Bareiß, Bundestagsabgeordneter und konservativer Bezirkschef von Württemberg-Hohenzollern. „Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine, die unsere Interessen gut vertreten kann.“
So viel Vorschusslorbeeren sind nicht selbstverständlich. Es ist die Überraschung des Tages, dass CDUChefin Angela Merkel die saarländische Ministerpräsidentin als neue CDU-Generalsekretärin nach Berlin holt. Junge Männer wie Paul Ziemiak oder Jens Spahn waren für diesen Posten gehandelt worden. Und jetzt: Eine 55-jährige, die seit sieben Jahren Ministerpräsidentin ist, verlässt ihr Amt, um ihrer Partei zu helfen. „Es hat mich berührt“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Montag im Konrad-Adenauer-Haus und lächelt, denn die Idee sei von KrampKarrenbauer selbst gekommen. Es sei alles andere als selbstverständlich, dass eine erfolgreiche Ministerpräsidentin vom Staatsamt in ein Parteiamt wechsele.
Verzicht auf Kabinettsposten
Kramp-Karrenbauer steht neben ihr, unübersehbar im schock-pinkfarben-beigen Kleid. Ihr Motiv zum Wechsel nach Berlin erklärt sie so: Zurzeit erlebe die Bundesrepublik Deutschland eine ihrer schwierigsten politischen Phasen. Da reiche es nicht zu sagen, man sollte, man müsste, sondern da müsse man selbst etwas tun.
Sie hätte jederzeit einen Kabinettsposten haben können, sagen Merkel und Kramp-Karrenbauer übereinstimmend. Doch KrampKarrenbauer hat sich bewusst gegen einen Kabinettsposten und für das Engagement in der Partei entschieden. Denn man brauche starke Volksparteien „und keine durch Personen getragene Sammelbewegungen“, so Kramp-Karrenbauer mit Blick auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
Saarlands zierliche Ministerpräsidentin spricht fließend französisch. Sie ist gerade zum zweiten Mal gewählt worden, mit über 40 Prozent führt sie eine Große Koalition in Saarbrücken an. Kramp-Karrenbauer gilt als mutig. So hat sie 2011 von Peter Müller, als dieser zum Verfassungsgericht wechselte, das Amt des Ministerpräsidenten mit einer Jamaika-Koalition übernommen, die sie aber schon Anfang 2012 aus Ärger über die FDP platzen ließ – symbolträchtig während des Dreikönigstreffens der Liberalen und nicht zur Freude der Kanzlerin. Nach Neuwahlen führte sie eine Große Koalition an und konnte dieses Regierungsbündnis auch 2017 fortsetzen.
Seit über 30 Jahren ist KrampKarrenbauer mit ihrem Mann, einem Bergbauingenieur, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Söhne und einer Tochter. Sie ist katholisch und seit 37 Jahren in der CDU. Aus Versehen lobt Angela Merkel Kramp-Karrenbauer als erste Frau im Amt des CDU-Generalsekretärs. Sich selbst hat sie vergessen. Vor 20 Jahren, 1998, wurde Merkel CDUGeneralsekretärin, um denn zwei Jahre später den Vorsitz der CDU zu übernehmen. Ist die Saarländerin jetzt Merkels Kronprinzessin? Davon will AKK, wie sie genannt wird, nichts wissen. Sie eigne sich nicht als Kronprinzessin, noch nicht einmal an Fasnacht, so Kramp-Karrenbauer. Eher im Gegenteil. Denn AKK ist an Fasnacht schon als Putzfrau Gretel aus dem Saarland aufgetreten. Uneitel, bescheiden sind Attribute, die ihr gerne zugesprochen werden. In dieser Hinsicht ähnelt sie Angela Merkel. „Wir können uns aufeinander verlassen“, sagt Merkel. Das heißt aber nicht, dass sie immer einer Meinung wären. Annegret Kramp-Karrenbauer kann auch schon mal draufhauen. Sie setzte sich zwar nie von Merkels Flüchtlingspolitik ab. Aber sie will das Alter von Flüchtlingen genau feststellen lassen. Und Anfang 2017, als sie selbst um ihre Wiederwahl kämpfte, kündigte sie forsch für ihr Land ein Auftrittsverbot für türkische Politiker an. Dabei gab es keine einzige Anfrage für das kleine Saarland.
Auch wenn sie, anders als NochGeneralsekretär Peter Tauber, Vorbehalte gegen gleichgeschlechtliche Ehen äußert, gilt Kramp-Karrenbauer doch als liberale und soziale Politikerin. Wie will sie die Konservativen in ihrer Partei besser mitnehmen? Diese Frage beantwortet sie klug: Um Konservatives zu bewahren, müsse man progressiv sein.
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