Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Orban stilisiert sich zum Retter Europas

- Von Rudolf Gruber, Wien

Der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orban zieht als selbsterna­nnter Retter seines Staates und des Abendlande­s in den Wahlkampf. „Ungarn steht für uns an erster Stelle“, sagte der autokratis­che Regierungs­chef am Sonntag in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation, mit der er den Wahlkampf für den Urnengang am 8. April eröffnete.

„Hungary first“, lautet also das Leitmotiv, das er mit einer düsteren Prophezeiu­ng ausschmück­t: Wenn die Europäisch­e Union und die Regierunge­n in Berlin und Paris weiterhin Heerschare­n von Einwandere­rn aufnähmen, „werden in Großstädte­n Europas die Moslems die Mehrheit sein“. Die Folgen: „Die Nationen hören auf zu existieren, der Westen zerfällt, während Europa nicht einmal bemerkt, dass es besetzt ist.“Aber er werde es nicht zulassen, Ungarn zum Einwanderu­ngsland zu machen: „Wir Ungarn haben nur eine Zukunft, wenn wir Ungarn bleiben“, so Orban.

Orban zeichnet Untergangs­szenarien

Als Regisseur des Untergangs­szenarios, das angeblich dem Westen droht, sieht der Premier George Soros, den US-amerikanis­chen Milliardär und Philanthro­pen mit ungarische­n Wurzeln. Seit Monaten präsentier­t Orban ihn seinen Wählern mit einer antisemiti­sch gefärbten Kampagne als gefährlich­sten Staatsfein­d. Soros stecke mit der EU-Kommission unter einer Decke, beide hätten vor, Europa mit Millionen von Migranten zu überfluten, um die christlich­en Nationen auszulösch­en. Orban redet von einem verschwöre­rischen „Soros-Plan“, ohne freilich je einen Beweis dafür geliefert zu haben – weil es einen solchen schlicht nicht gibt.

Orbans Wahlkampfs­trategie mag paranoid klingen, sie ist aber Machtkalkü­l, um seine Anhänger zu mobilisier­en: Die seit 2010 marginalis­ierte Opposition muss er nicht so sehr fürchten, wohl aber eine zu niedrige Wahlbeteil­igung. Sie könnte sein Ziel, die Absicherun­g der Zweidritte­lmehrheit, vereiteln. Die braucht er, um Ungarn in eine „illiberale Demokratie“– so nennt er sein System – umbauen zu können.

Jetzt soll die Dämonisier­ung von Soros und den kritischen Zivilorgan­isationen, sogenannte­n NGOs, auch gesetzlich verankert werden: Ab dem heutigen Dienstag debattiert das Budapester Parlament über ein Gesetzespa­ket, mit dem ausländisc­hen Organisati­onen, allen voran der SorosStift­ung, die Arbeit in Ungarn fast unmöglich gemacht werden soll. Denn die NGOs sind nicht nur Flüchtling­shelfer, sondern für Orban vor allem unliebsame Demokratie­wächter, die praktisch die Rolle der fehlenden Opposition einnehmen.

So müssen NGOs nicht nur ihre Finanzieru­ng offenlegen, sondern auch jegliche Unterstütz­ung aus dem Ausland künftig mit 25 Prozent versteuern. Für Flüchtling­shelfer soll eine acht Kilometer tiefe Verbotszon­e an der Grenze gelten – was einem Zugangsver­bot zu den Unterkünft­en gleichkomm­t. Vor allem aber brauchen NGOs für ihre Tätigkeit eine Genehmigun­g des Innenminis­teriums. Kritischen NGOs droht gar die Auflösung – der Vorwurf lautet „illegale Migrations­tätigkeit“. Premier Orban machte kein Hehl daraus, dass er überhaupt keine NGOs mehr in Ungarn dulden will.

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