Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Chancen von Jens Weidmann steigen
Euro-Finanzminister einigen sich auf den Spanier Luis de Guindos für EZB-Vizeposten
FRANKFURT – Jens Weidmanns Chancen, im kommenden Herbst Nachfolger Mario Draghis als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zu werden, haben sich verbessert. Die 19 Euro-Finanzminister haben sich auf den Spanier Luis de Guindos als künftigen EZB-Vizepräsidenten verständigt. Die letztendliche Entscheidung treffen die EUStaatsund Regierungschefs voraussichtlich bei ihrem Treffen Ende der Woche. Damit hat jetzt ein Kandidat aus den nördlichen Mitgliedsländern größere Chancen, Mario Draghi zu beerben. Der amtierende Vizepräsident, der Portugiese Vitor Constancio, scheidet Ende Mai aus dem Amt.
Kritik an der Einigung für den spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindoskam von den Grünen im Europaparlament. „Ein direkter Wechsel aus der Eurogruppe in die Führung der EZB gefährdet die Unabhängigkeit der Zentralbank“, sagte ihr wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher, Sven Giegold.
Weil nun ein Kandidat aus den nördlichen Mitgliedsländern zum Ausgleich für die Nachfolge Draghis berufen werden dürfte, steigen die Chancen Weidmanns, im Herbst an die Spitze der EZB zu gelangen. Denn im EZB-Rat soll ein gewisses Gleichgewicht herrschen nicht nur zwischen Nord und Süd, zwischen den großen und kleinen Ländern, sondern auch zwischen den Vertretern einer eher restriktiven und einer eher laxen Geldpolitik. Weidmann ist eindeutig „Falke“, vertritt also einen eher restriktiven Kurs. Die Vertreter der Länder des Südens hingegen sind eher „Tauben“, treten also für eine lockere Geldpolitik ein.
Für Weidmann spricht außerdem, dass von den drei größten Euro-Mitgliedsländern noch nie ein Deutscher an der Spitze der EZB gestanden hat. Als Präsident hätte er zwar nur eine Stimme im EZB-Rat, aber ihm komme doch eine herausgehobene Rolle zu, auch als „Gesicht“der Notenbank, in seinem Kontakt zur Politik, meint Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank.
Nicht nur Weidmanns Position im sechsköpfigen Bundesbank-Vorstand könnte im Herbst 2019 vakant werden. Schon Ende April werden in der Bundesbank zwei Vorstandsposten vakant: der von Carl-Ludwig Thiele, der für Bargeld und Gold zuständig ist, und der von Andreas Dombret, ehemaliger Investmentbanker und CDU-Mitglied. Dombret ist Bankenaufseher und gilt als „Außenminister der Bundesbank“. Beide würden eigentlich gern auf ihren Posten bleiben. Doch ähnlich wie in der EZB gibt es auch hier ein Proporzdenken, in diesem Fall zwischen Bund und Ländern und den Parteien. Jeweils zur Hälfte benennen die Bundesregierung und die Landesregierungen die sechs Mitglieder im Bundesbankvorstand. Thiele, 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung berufen, hat als FDP-Mitglied in der aktuellen politischen Konstellation wenig Chancen. Dombret wiederum, der gerade in den vergangenen Wochen durch vermehrte öffentliche Aktivität auffällt, dürfte daran scheitern, dass Niedersachsen das Vorschlagsrecht hat und gern Burkhard Balz nominieren würde. Balz sitzt für die CDU im Europaparlament, er hat lange Jahre in der Commerzbank gearbeitet. Dombret soll auch versucht haben, nun als Nachfolger Thieles von der Bundesregierung berufen zu werden. Doch es mangelt ihm offenbar an Unterstützung aus Finanzkreisen. Die Bankenlobby nimmt ihm dem Vernehmen nach übel, dass er als deutscher Vertreter dem „Basel-Kompromiss“zugestimmt hat. Danach müssen die Banken höheres Eigenkapital vorhalten und haben weniger Spielraum bei der Berechnung dieses Puffers. Das trifft vor allem deutsche Banken.
Parteipolitische Aspekte
Außerdem dürfte unter den Parteien gerangelt werden, wie man im Bundesbank-Vorstand das parteipolitische Gleichgewicht wahren kann. Mit dem Wechsel von SPD-Mitglied Joachim Nagel zur KfW 2016 ist niemand mehr im Bundesbank-Vorstand, der den Sozialdemokraten nahesteht. Nagels Nachfolger Joachim Wuermeling gehört der CSU an.
Die stockende Regierungsbildung erschwert zudem die Neubesetzung der Vorstandsposten. Die Zeit eilt: Im Mai müssen die Nachfolger gefunden sein, denn geschäftsführende Vorstände sind bei der Bundesbank nicht vorgesehen. Sollte das nicht gelingen, wäre das wichtige Ressort der Bankenaufsicht ohne Führung. Dann dürfte Weidmann sich stärker darum kümmern müssen.