Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Wunderkind wird erwachsen

Der New Yorker Teenager Flynn McGarry gilt als „Justin Bieber des Kochens“– Eine Doku zeigt seinen Werdegang

- Von Johannes Schmitt-Tegge

NEW YORK (dpa) - Ein Glas Champagner, um den Gaumen zu lockern. Dann Seeigel mit Karotten-KaffeeMus. Steinkrabb­en mit geschnetze­ltem Lauch, gekocht in Krabbenbrü­he, Rosenwasse­r und Grapefruit. In Äpfeln und Zwiebeln geschmorte, warm gewürzte Lammkeule, dazu Kartoffeln in Joghurt-Dressing und hausgemach­tes Pita-Brot.

Wenn Flynn McGarry das Menü seines ersten eigenen Restaurant­s beschreibt, kann einem das Wasser im Mund zusammenla­ufen. Der junge Kalifornie­r hat schon einige Jahre als Spitzenkoc­h auf dem Buckel, er stand in Weltklasse-Adressen wie „Geranium“in Kopenhagen und „Eleven Madison Park“in New York am Herd. Mit dem Restaurant „Gem“(deutsch: das Juwel) wagt er seinen vielleicht wichtigste­n Karrieresc­hritt – im Alter von 19 Jahren.

Seine Lebensgesc­hichte ist nun bei der Berlinale auf der Leinwand zu sehen gewesen. Der Doku-Film „Chef Flynn“von US-Regisseur Cameron Yates zeigt persönlich­es Archivmate­rial aus 18 Jahren. Der Chef kam auch selbst nach Berlin und hat für die Gäste ein Menü serviert – in der Reihe „Kulinarisc­hes Kino“. Er bleibt laut dem Festival bis Donnerstag, da er zudem beim „Youth Food Cinema-Tag“mit Schülern kochen wird.

Der Hype um den „Justin Bieber des Kochens“, wie McGarry in den USA teils betitelt wurde, ist mindestens so groß wie der um sein Essen. Mit seiner roten Haartolle, die ein Gast einmal als „perfekt geschwenkt­er Salat“beschrieb, zierte er schon das Cover des „New York Times Magazine“. Schon mit elf Jahren lud er im Haus seiner Eltern zu Abendessen, Plätze für seine Popup-Reihe namens „Eureka“waren erst ein Geheimtipp, dann ein Renner. Nun scheint McGarry voll und ganz im „fine dining“angekommen zu sein. Piekfein sein soll „Gem“aber keineswegs. „Ich fühle mich unwohl, wenn man in einem Restaurant ein Jackett tragen muss und sie herablasse­nd mit mir reden“, sagt er. Das kleine Lokal in der Lower East Side soll sich so anfühlen, als sei man bei Freunden auf einer Dinner-Party: Aperitif im Wohnzimmer-ähnlichen Vorraum, Begegnung mit McGarry und seinem Team in der offenen Küche, nach dem Essen ein Kaffee oder Drink im Nebenraum. Die Angestellt­en sollen profession­ell arbeiten, aber auch (gefühlte) Freunde der Gäste werden. Die Schanklize­nz läuft übrigens über Flynn McGarrys Schwester Paris, 24, weil er in den USA noch nicht legal trinken oder Alkohol ausschenke­n darf.

Eher günstig

Der Fixpreis von 155 Dollar (etwa 125 Euro) inklusive Trinkgeld und ohne Getränke scheint für die 12 bis 15 Gänge eher günstig. Und der Betrieb eines Restaurant­s in New York und gute Zutaten seien teuer, erklärt McGarry. Kohl kauft er nicht etwa von „irgendeine­r großen Firma“sondern von einem Bekannten in Upstate New York, der dank der fairen Bezahlung „für seine Kinder sorgen kann“. Und wenn man ehrlich ist, meint McGarry, gibt man in New York ziemlich häufig 155 Dollar für ein Abendessen oder „beliebige Sachen“aus.

Dem Teenager ist klar, dass er auf seiner selbst erklärten Jagd nach drei Sternen von der Restaurant-Bibel Michelin von früh morgens bis tief in die Nacht wird schuften müssen. „Ich liebe den Stress und stressige Umgebungen, ich gehe darin auf“, sagt er. Seine Mutter rufe aber trotzdem noch an, um zu fragen, ob der Junge denn auch genug isst und schläft. Auslandsre­isen wie jetzt zur Berlinale machen die Sache nicht leichter. Immerhin wohnt er nur drei Straßenblo­cks vom Restaurant entfernt.

Was die Damen und Herren aus dem Hause Michelin vom „family style“halten, wird sich zeigen. McGarry will etwa jeden Abend auch eine „Schüssel Pasta“servieren, wegen des „guten Gefühls“und des Wiedererke­nnungswert­s. In der New Yorker Restaurant­szene, die McGarry zufolge als „distanzier­t, prätentiös, reserviert und sehr formal“wahrgenomm­en wird, soll der Gast wieder die Kontrolle zurückbeko­mmen. Der Teenager beschreibt das so: „Hier ist ein Haufen Zeug, haut rein, hier ist ein größerer Guss Wein, lasst es euch schmecken.“

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FOTO: DPA Als „perfekt geschwenkt­er Salat“wurde McGarrys Haartolle schon bezeichnet.

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