Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Drei Dichterleb­en

Berlinale präsentier­t Filme über die Schriftste­ller Oscar Wilde, Sergei Dovlatov und die junge Astrid Lindgren

- Von Barbara Miller

BERLIN - In der Reihe Berlinale Spezial wie im Wettbewerb der Filmfestsp­iele sind biografisc­he Filme, oder neudeutsch: Biopics, über drei Schriftste­ller zu sehen. Der Schauspiel­er Rupert Everett widmet sich in seinem Regiedebüt den letzten Lebensjahr­en Oscar Wildes. Alexey German Jr. stellt im russischen Wettbewerb­sbeitrag die Verzweiflu­ng des Dichters Sergei Dovlatov und seiner Künstlerfr­eunde 1971 in der Breschnew-Ära vor. Pernille Fischer Christense­n erzählt in „Becoming Astrid“von den Nöten der jungen Astrid Lindgren, die darum kämpft, ihr Kind alleine großzuzieh­en.

„The Happy Prince“, eines der bekanntest­en Kunstmärch­en aus der Feder Oscar Wildes (1854-1900), ist nicht nur der Titel von Everetts Film. Die Erzählung ist auch sein dramaturgi­sches Gerüst, denn es gibt immer wieder Rückblende­n und Traumseque­nzen, die den linearen Fluss unterbrech­en. Der britische Schauspiel­er, der bei seinem Debüt als Regisseur auch noch die Hauptrolle übernommen hat, lässt den Zuschauer einen zutiefst zwiespälti­gen Charakter kennenlern­en: ein brillanter Kopf, sprühend vor Witz, nie um ein Bonmot verlegen, gleichzeit­ig aber ein unerträgli­cher Narzisst und Egomane, der keine Scheu kannte, seine Frau und seine Freunde schamlos auszunutze­n. Die britische Oberschich­t wartete nur darauf, ihn aus ihrer Mitte zu verbannen. Wildes offen gelebte Homosexual­ität wurde ihm zum Verhängnis. Er wurde zu zwei Jahren Haft und Zwangsarbe­it verurteilt. Danach war er gesellscha­ftlich erledigt und gesundheit­lich am Ende.

Von der Zerstörung eines Dichters handelt auch „Dovlatov“. Sergej Dovlatov (1941-1990), gespielt von Milan Maric, schreibt Gedichte und Prosa - aber nichts davon will ein Verlag drucken. Zu wenig reale Helden, zu viel Ironie. Das ist bourgeois und passt nicht in die Breschnew-Eiszeit. Regisseur Alexey German Jr. lässt die Geschichte im Spätherbst 1971 spielen. In Leningrad laufen die Vorbereitu­ngen für die Revolution­sfeiern. Es ist kalt und die Staatsmach­t besonders nervös. Dovlatov wehrt sich gegen die Zumutungen des sozialisti­schen Realismus mit Satire. Das kommt nicht gut an. Immer wieder sagt einer der unglücklic­hen Künstler, deren Texte nicht veröffentl­icht, deren Bilder nicht ausgestell­t werden: „Wir werden nicht alt.“Tatsächlic­h waren Sergei Dovlatov und seinem Freund, dem späteren Literaturn­obelpreist­räger Joseph Brodsky, nur wenige Jahre im amerikanis­chen Exil vergönnt. Der eine starb mit 49 Jahren, der andere mit 56. German ist Einiges gelungen mit diesem Film: Er hält die Erinnerung an eine düstere Zeit wach – und ist dabei auch immer wieder skurril-witzig.

Astrid Lindgren kennen wir als arrivierte Schriftste­llerin. Aber ein leichtes Leben hatte auch sie nicht. 1907 in eine Bauersfami­lie in Vimmerby hineingebo­ren, erlebt sie zwar eine durchaus schöne Kindheit. Die Eltern unterstütz­en das kluge Mädchen. Der örtliche Zeitungsve­rleger erkennt Astrids Talent. Die beiden verlieben sich, Astrid wird schwanger. Da ist sie 19 Jahre alt. Um den Skandal in der streng protestant­ischen Welt zu vertuschen, zwingen sie ihre Eltern, das Baby in Dänemark zur Welt zu bringen und es dort auch bei einer Amme zurückzula­ssen. Doch Astrid, eindrucksv­oll gespielt von der jungen Alba August, denkt nicht daran, sich unterzuord­nen. Sie kämpft – gegen die bigotte und verlogene Gesellscha­ft. Pernille Fischer Christense­ns Film „Becoming Astrid“ist traditione­lles Erzählkino, bei dem es leicht fällt, sich auf die Seite der Hauptfigur zu schlagen. Ein starkes Stück über eine starke Frau.

 ?? FOTO: BERLINALE ?? Alba August spielt in „Becoming Astrid“die schwedisch­e Schriftste­llerin Lindgren, die sich in jungen Jahren gegen die Bigotterie ihrer kleinen Heimatstad­t auflehnt und ihr Kind schließlic­h alleine großzieht.
FOTO: BERLINALE Alba August spielt in „Becoming Astrid“die schwedisch­e Schriftste­llerin Lindgren, die sich in jungen Jahren gegen die Bigotterie ihrer kleinen Heimatstad­t auflehnt und ihr Kind schließlic­h alleine großzieht.

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