Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Alles andere als niedliche Poesie
Mia Diekows Album „Ärger im Paradies“– Die Stärke liegt in den Texten
RAVENSBURG - Es heißt, dass der erste Eindruck zählt. Mia Diekow straft diesen Spruch mit ihrem neuen Album „Ärger im Paradies“(Weltgast/Indigo) in gewisser Hinsicht Lügen. Denn der Opener „Mondaugen“, eine von einer zuckersüßen Stimme vorgetragenen Ballade, führt den Hörer in die Irre.
Gleichgültig, wie zart die insgesamt elf Tracks beim ersten Anhören wirken mögen, ihre Stärke beziehen sie von den sprachlich exquisiten und intelligenten Texten: „Wir beißen in Zitronen. Wir ertragen keine Limonade mehr“, „Dann tritt die Türe ein und hör auf so verdammt leise zu schreien“sind nur zwei von zahlreichen Textpassagen, die Diekows Talent aufzeigen, die Welt um sie herum, aber auch ihre Gefühlswelt in Worte zu fassen. Das könnte man als poetisch bezeichnen, vielleicht auch gerade deshalb, weil dabei nichts verniedlicht wird, nichts verharmlost.
Das gilt auch für die seidenweiche Stimme der 31-jährigen Hamburgerin: Wer genau hinhört, erkennt die feinen Nuancen darin, entdeckt hier die erotische Schattierung („Du willst mich“), dort den anklagenden Tonfall („Das Lied“). Dafür sorgt auch die dezente, aber gut akzentuierte Musik, die sich nie in den Vordergrund spielt, sondern einzig die Stimmung des Tracks auffängt und mitträgt. So fällt Diekow, die nicht nur die Texte geschrieben, sondern auch alle Songs selbst komponiert, aufgenommen und produziert hat, nie aus der Rolle, bleibt stets bei sich, immer im Song.
Dabei lässt sich das Album nur schwer in ein bestimmtes Genre einordnen. Mal klingt bei den von Chansons geprägten Popsongs ein wenig Indie durch („Du willst mich“), mal wird es ein wenig rockiger („Pfeile gegen die Sonne“), dann klingt es nach Swing und Bigband („Ich prügel mich mit Dir“). Diese recht eigenwillige Melange ist das i-Tüpfelchen auf dem wirklich gelungenen Album von Mia Diekow, das keine einfachen Antworten auf eine immer komplizierter werdende Welt geben mag. Weil es die eben nicht gibt.
Anspieltipps: „Du willst mich“, „Pfeile gegen die Sonne“, „Winterfell“und „Die Ozeane sterben“.