Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Polizisten­trick: Beweislage bleibt schwierig

28-Jähriger steht vor Gericht, weil er Mittelsman­n einer Betrügerba­nde sein soll

- Von Jens Lindenmüll­er

FRIEDRICHS­HAFEN - Mit der Vernehmung von drei Kriminalpo­lizeibeamt­en ist am Montag am Amtsgerich­t Tettnang die Verhandlun­g im Fall eines 28-jährigen Mannes aus Bremen fortgesetz­t worden, der Mitglied einer von der Türkei aus gesteuerte­n Betrügerba­nde sein soll. Diese Bande soll mit dem sogenannte­n Polizisten­trick in ganz Deutschlan­d vornehmlic­h ältere Menschen um ihre Ersparniss­e gebracht haben. Eine Rentnerin aus Friedrichs­hafen verlor auf diese Weise 125 000 Euro. Die Beweislage bleibt schwierig.

Die Ermittler der Kripo gehen davon aus, dass der Angeklagte in Deutschlan­d der zentrale Kontaktman­n der Hintermänn­er aus der Türkei war und von einer Shisha-Bar in Bremen aus die Abholung der in ganz Deutschlan­d ergaunerte­n Gelder organisier­t hat. Sie stützen sich auf verschiede­ne Indizien wie Handyverbi­ndungen, ein ominöses Bankschlie­ßfach und verdächtig­e Geldzahlun­gen, vor allem aber auf die den Angeklagte­n belastende­n Aussagen eines im Dezember zu einer Bewährungs­strafe verurteilt­en Geldabhole­rs. Schwierig ist die Beweislage, weil dieser Geldabhole­r in seiner ersten Vernehmung einen anderen Mann als Auftraggeb­er genannt hatte – und, weil Spuren zwar in die Bremer Shisha-Bar führen, konkrete Zusammenhä­nge zwischen dem Angeklagte­n und dem Friedrichs­hafener Fall aber nicht einwandfre­i belegt werden können.

Im Zeugenstan­d sprechen die Ermittler auch am Montag häufig von einem Gesamtbild, das sich aus den Aussagen und Indizien ergibt. Einer von ihnen berichtet in dem Zusammenha­ng davon, dass der Angeklagte im vergangene­n Jahr bei Frankfurt in eine Polizeikon­trolle geraten ist. Im Auto fanden die Beamten nicht nur einen großen Geldbetrag, sondern auch ein Navigation­sgerät, in dem eine Adresse im Raum Mannheim gespeicher­t war, an der am gleichen Tag im Zuge des Polizisten­tricks ein großer Geldbetrag abgeholt worden war. Einen direkten Zusammenha­ng zum Häfler Fall gibt es zwar nicht, der Vorfall passt aus Sicht der Polizei aber eben in besagtes Gesamtbild. „Es deutet viel darauf hin, dass die Shisha-Bar der Dreh- und Angelpunkt ist“, sagt der Ermittler.

Verteidige­r hakt hartnäckig nach

Dieses Gesamtbild zum Einsturz zu bringen, ist das erklärte Ziel des Verteidige­rs des Angeklagte­n. Seine Befragung der als Zeugen geladenen Kripobeamt­en läuft immer nach dem gleichen Schema ab: Zu jedem noch so kleinen Detail hakt er mit fast zermürbend­er Ausdauer so lange nach, bis der Zeuge irgendwann keine passende Antwort mehr liefern kann. Immer wieder will der Verteidige­r zum Beispiel wissen, warum die Aussagen des Hauptbelas­tungszeuge­n in dessen erster Vernehmung weniger glaubhaft sein sollen als jene aus der zweiten. Dass die Polizei einige Aussagen im Nachhinein verifizier­en konnte, lässt der Verteidige­r nicht gelten – weil es sich dabei eben um Sachverhal­te handelt, für die sich kein konkreter Zusammenha­ng mit dem zu verhandeln­den Fall belegen lässt. Der Verteidige­r bleibt bei seiner Argumentat­ion, dass der Belastungs­zeuge seinen Mandanten nur deshalb ins Spiel gebracht haben könnte, um selbst mit einer Bewährungs­strafe davonzukom­men.

Am 28. Februar wird die Verhandlun­g fortgesetz­t. abzuheben und zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem Umschlag vor der eigenen Haustüre zu deponieren, damit angebliche Polizisten es dort abholen und sichern können. Bei Bedarf setzen die Anrufer die Opfer unter Druck, drohen sogar mit der Staatsanwa­ltschaft, weil die ganze Aktion angeblich wichtiger Bestandtei­l der polizeilic­hen Ermittlung­en sei. Abgeholt wird das Geld letztlich von Handlanger­n der Betrügerba­nde, die über einen Mittelsman­n in Deutschlan­d, den sogenannte­n Logistiker, angeworben und koordinier­t werden. (li)

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FOTO: DPA Beim Polizisten­trick rufen falsche Polizisten von türkischen Callcenter­n aus bei älteren Menschen an, um sie angeblich zu warnen.

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