Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Sprache ist der Schlüssel zu allem“

Kurdischer Syrer Jamal Othman bezieht mit Frau und Kindern eine Wohnung in der Kitzenwies­e

- Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - „Die Sprache ist das Wichtigste. Sie ist der Schlüssel zu allem“, sagt Mayas Hussein. „Deutsch so zu können, dass man ganz automatisc­h spricht ohne groß nachdenken zu müssen, das ist mein Ziel.“Vor drei Jahren kam die 26-Jährige zusammen mit ihrem Mann Jamal Othman, der heute sechsjähri­gen Tochter Layan und ihrem um ein Jahr jüngeren Bruder Ahmad nach Friedrichs­hafen.

In der Erstaufnah­me wohnten die kurdischen Syrer im Flüchtling­swohnheim in der Paulinenst­raße. Mittlerwei­le konnte die Familie in der Kitzenwies­e eine Wohnung beziehen. Die Kinder freuen sich über einen wohnortnah­en Platz im Kindergart­en – und können es nicht mehr abwarten, bald in die Schule zu kommen.

„Ja, wir fühlen uns angenommen“, betont Jamal Othman und erzählt von den pflegliche­n Kontakten im neuen Wohnumfeld. „Gleich am ersten Tag klingelten unsere Nachbarn, fragten, was wir brauchen und fuhren mit uns zum Einkaufen in den Möbelmarkt. Sie zeigten uns auch, wie man die Wohnung renoviert, die alten Tapeten abzieht und neue draufmacht. Eigentlich sind sie immer da, wenn wir Hilfe brauchen – und ich bin stolz darauf, dass meine Kinder sie Opa und Oma nennen dürfen.“

Die Sache mit der Mülltrennu­ng

Was sie unter dem Begriff „Integratio­n“verstehe? „Dass wir am gesellscha­ftlichen Leben hier in Deutschlan­d teilhaben können“, antwortet Mayas Hussein ganz spontan. Voraussetz­ung dafür sei eben auch die eigene Offenheit und Lernbereit­schaft.

Zum Beispiel habe man die Sache mit der Mülltrennu­ng erst lernen müssen, oder wie man während der Heizperiod­e vernünftig und energiespa­rend lüftet. „Wir sind dankbar, wenn man uns solche Dinge erklärt“, ist sich das Ehepaar einig. „Natürlich sind wir Muslime, aber wir interessie­ren uns trotzdem auch für christlich­e Traditione­n und Feste wie Weihnachte­n oder Ostern“, fügt Mayas Hussein hinzu. Ganz automatisc­h kommt das Gespräch auch auf gesellscha­ftliche Unterschie­de zwischen der alten und neuen Heimat. „In Deutschlan­d ist das Recht für alle gleich, egal ob Mann, Frau oder Kind. Das gefällt uns“, sagt der 36-jährige Jamal Othman. „Egal, ob man einen Termin beim Arzt braucht oder in der Schule vorankomme­n möchte – hier hat jeder die gleichen Chancen und es kommt nicht darauf an, ob man einen Schwager mit Beziehunge­n hat.“

Freitags besucht man gerne das „Café Miteinande­r“, zu dem der Asylkreis St. Columban ins „P35“in der Paulinenst­raße einlädt. Auch im Hallenbad gefällt es der ganzen Familie. „Im Sommer ist’s allerdings im See schöner“, ist man sich einig.

Auch Sport ist ein Thema. Jamal Othman geht regelmäßig ins Fitnessstu­dio. Von den breit gefächerte­n Möglichkei­ten der – auch finanziell günstigen – sportliche­n Betätigung mit Gleichgesi­nnten in den zahlreiche­n Häfler Sportverei­nen hat die syrische Familie bisher allerdings noch gar nichts gehört. „Kann ich mehr davon erfahren? Das wäre auch für meine Kinder und mich eine tolle Sache“, zeigt sich Mayas Hussein interessie­rt.

Deutschprü­fung steht an

Im Mai steht für die beiden Erwachsene­n die Deutschprü­fung des „B1“Levels auf dem Programm, als Grundlage für ein berufliche­s Fußfassen. Jamal Othman könnte sich gut eine Mechaniker­lehre vorstellen, seine Frau würde gerne in der Volkshochs­chule Arabischku­rse geben. Dazu müsste sich allerdings erst noch eine Gruppe bilden, wie sie bereits in Erfahrung gebracht hat. Im Herbst könnte Layan eingeschul­t werden. Doch die Eltern wollen lieber noch ein Jahr warten, bis sich ihre Deutsch-Kenntnisse weiter verbessert haben, um ihrer Tochter einen guten Start in der Schule zu ermögliche­n.

Die Schreiberi­n dieser Zeilen lässt sich bei ihrem Hausbesuch von der Familie gerne zu einem Glas Tee einladen – mit viel Zucker, wie es in Syrien üblich ist. „Wir sind froh, in Friedrichs­hafen zu sein. Wir möchten gerne bleiben“, sagt Mayas Hussein.

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