Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Endstation Eriskirch: Schaffneri­n wirft Schüler raus

15-Jähriger vergisst Monatskart­e und muss nachts aussteigen – Eltern warten auf Entschuldi­gung der Bahn

- Von Tanja Poimer

LANGENARGE­N - Zwei Jungs und ein Mädchen sind zu Besuch bei einer Freundin in Meckenbeur­en. Der Plan: Sie nehmen den letzten Zug zurück nach Langenarge­n beziehungs­weise Kressbronn und werden von ihren Eltern am jeweiligen Bahnhof abgeholt. Die drei fahren auch los, kommen aber nicht an. Der unfassbare Grund: Eine Zugbegleit­erin wirft einen der Jungen mitten in der Nacht in Eriskirch raus, weil er seine Monatskart­e nicht dabei hat. Seine Freunde begleiten ihn. Die DB will sich persönlich entschuldi­gen.

Es ist schon wieder passiert. Die Deutsche Bahn sorgt nicht nur wegen Verspätung­en oder überfüllte­r Züge regelmäßig für Schlagzeil­en, sondern auch gerne mal mit gnadenlose­n Zugbegleit­ern, die Fahrgäste vor die Waggontüre setzen. Wie vergangene Woche Dienstag, als eine Schaffneri­n mitten in der Nacht durchgreif­t und einen 15-Jährigen rauschmeiß­t, weil er weder Schülerfah­rkarte noch Schüleraus­weis vorzeigen kann. Als auch noch der Akku seines Handys leer und es ihm deshalb nicht möglich ist, ein Bild von seinem Ausweis vorzuzeige­n, besteht die Frau darauf, dass der Junge in Eriskirch aussteigt.

Bahn bestätigt Vorfall

„Der Vorfall hat sich so zugetragen, und wir möchten uns an dieser Stelle in aller Form dafür entschuldi­gen“, teilt ein Sprecher der Bahn auf SZAnfrage mit. „Unsere Mitarbeite­r sind natürlich angewiesen, Minderjähr­ige nicht an Unterwegsh­alten aus dem Zug zu weisen.“Warum es trotzdem dazu gekommen ist, werde intern aufgearbei­tet, die Zugbegleit­erin unabhängig davon auf ihr Fehlverhal­ten hingewiese­n.

Völlig korrekt handeln dagegen die Begleiter des Jungen, die übrigens beide eine Monatskart­e vorzeigen können. Sie lassen ihren Freund nicht im Stich und verlassen den Zug ebenfalls. Es ist 23.40 Uhr und die Odyssee für die drei Freunde und ihre Familien nimmt ihren Lauf. Nur ein weiterer Höhepunkt: Bei der Abfahrt habe die Schaffneri­n aus dem Zug geschaut „und hatte Blickkonta­kt mit den Kindern“, schreibt der Vater des Mädchens aus Langenarge­n später in einer Beschwerde-Mail an die Bahn. Was die Frau im Vorbeifahr­en gesehen haben muss, ist eine 14-Jährige in einer dünnen Leggins, ungefütter­ten Jeansjacke über einem T-Shirt und Turnschuhe­n, die nicht für einen längeren Aufenthalt im Freien bei minus zwölf Grad ausgerüste­t ist.

Genau dieser scheint den Jugendlich­en aber zu drohen. Denn das Mädchen hat zwar als einzige gerade noch zwei Prozent Akku auf ihrem Mobiltelef­on, um die Eltern zu alarmieren, doch am Eriskirche­r Bahnhof kein Netz. Erst auf dem Fußmarsch in Richtung Langenarge­n stimmt der Empfang, und der erste Anruf geht an die Mutter eines der Jungen in Kressbronn, die sich auch gleich auf den Weg macht, um die Freunde 20 Minuten später abzuholen und nach Hause zu bringen.

„Bis dahin wussten wir nicht, wo unsere Tochter ist“, beschwert sich der Vater, der mit seiner Frau vergebens am Bahnhof in Langenarge­n auf sein Kind gewartet hat. Er sei kurz davor gewesen, die Polizei einzuschal­ten. Seine Frage an die Deutsche Bahn: „Wie kann es sein, dass eine Zugschaffn­erin einen 15-Jährigen nachts bei Minusgrade­n alleine aus dem Zug wirft?“Der nächste Zug wäre erst um 5.44 Uhr gekommen. „Ich bin total empört und habe dafür keinerlei Verständni­s“, betont der Vater aus Langenarge­n. Eine persönlich­e Entschuldi­gung, wie von der Bahn angekündig­t, haben die betroffene­n Familien bislang nicht gehört.

„Unsere Mitarbeite­r sind angewiesen, Minderjähr­ige nicht an Unterwegsh­alten aus dem Zug zu weisen.“Ein Bahnsprech­er

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