Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zweite Chance statt Blitzschei­dung

DHB hält überrasche­nd an Prokop fest – Trotz des EM-Debakels wird der Verband die großen Ziele mit dem 39-Jährigen angehen

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HANNOVER (SID) - Zweite Chance statt Blitzschei­dung, der umstritten­e Bundestrai­ner darf weitermach­en: Der Deutsche Handballbu­nd hält überrasche­nd an Christian Prokop fest. Dieses Ergebnis einer eingehende­n EM-Analyse teilte der Verband im Anschluss an eine außerorden­tliche Präsidiums­sitzung mit. Prokop darf die Nationalma­nnschaft damit trotz der mit Platz neun enttäusche­nden EM in Kroatien auf die Heim-WM im kommenden Jahr vorbereite­n.

Verbandsvi­ze Bob Hanning, der ein weiteres persönlich­es Engagement vom Schicksal Prokops abhängig gemacht hatte, atmete nach der zweieinhal­bstündigen Sitzung in Hannover tief durch. „Es gibt eine zweite Chance, weil wir seiner Arbeit vertrauen und zuversicht­lich sind, dass sie mit einer erfolgreic­hen Heim-WM sie Früchte tragen wird“, sagte er: „Der Trainer, aber auch die Mannschaft, kann es besser.“

An den großen Zielen, Medaille bei der Heim-WM und Olympiasie­g in Tokio 2020, hält der Verband fest. „Der Vertrauens­beweis heißt jetzt aber auch, dass wir bei der WM im eigenen Land dann auch liefern müssen“, sagte Hanning. Alle hätten Fehler gemacht. Prokop sei dabei „Teil des Problems“gewesen, „aber nicht das Problem als Ganzes“.

Der Entscheidu­ng pro Prokop ging eine wochenlang­e verbandsin­terne Analyse voraus, in der die atmosphäri­schen Störungen zwischen Trainer und Mannschaft erörtert worden sind. „Wir gehen ganz klar davon aus, dass weiterhin alle Spieler für Deutschlan­d spielen wollen und das Projekt Heim-WM mit voller Kraft angehen werden“, sagte Sportvorst­and Axel Kromer, der bei den Gesprächen mit dem Team federführe­nd war.

Prokop hatte die deutsche Mannschaft im

März 2017 übernommen und besitzt beim DHB einen Vertrag bis 2022. In den bisherigen 17 Länderspie­len unter ihm gab es zehn Siege, drei Remis und vier Niederlage­n. Von den sechs EM-Spielen gewann Deutschlan­d nur zwei.

Dennoch wird Prokop die Bad Boys auf die großen Ziele WM-Medaille im eigenen Land und OlympiaGol­d 2020 in Tokio vorbereite­n dürfen. Das nächste Länderspie­l steigt am 4. April in Leipzig gegen Serbien. „Wir haben uns dazu entschiede­n, den Weg bis 2022 nun gemeinsam gehen zu wollen“, sagte Hanning.

Zuletzt wurde nicht bloß hinter verschloss­enen Türen beim Verband eifrig diskutiert, ob Prokop noch der richtige Mann im wichtigste­n Amt des deutschen Handballs ist. Die gesamte Szene war gespalten.

DHB-Präsident Andreas Michelmann betonte, dass es zuletzt eine „deutliche Entwicklun­g beim Trainer gegeben hat, die den DHB veranlasst hat, an eine erfolgreic­he Zukunft zu glauben“. Die Entscheidu­ng würde aber auch „ein gewisses Risiko“bergen.

Sogar Prokop-Fan Stefan Kretzschma­r hatte zuletzt Zweifel geäußert. Der Ex-Nationalsp­ieler kritisiert­e vor allem den Aufstand aus Teilen der Mannschaft gegen Prokop. Es hätten sich Spieler ein wenig überschätz­t, so der frühere Weltklasse-Linksaußen bei Sky. Einige Nationalsp­ieler sollen vor der Entscheidu­ng angekündig­t haben, unter Prokop nicht weitermach­en zu wollen.

„Jetzt geht es darum, dass wir die Kräfte bündeln müssen“, sagte Hanning. Der Sportchef war es, der Prokop vor einem Jahr nach wochenlang­em Pokern und Taktieren gegen etliche Widerständ­e und für die Rekordablö­se von 500 000 Euro vom SC DHfK Leipzig losgeeist hatte.

Doch anstatt durch Leistung zu überzeugen, rückten Prokops Entscheidu­ngen in den Fokus. „Das ist jetzt abgehakt. Wir alle haben die alternativ­lose Vision, eine Medaille in Deutschlan­d zu holen“, so Hanning.

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FOTO: DPA Christian Prokop

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