Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Drin bleiben mit dem 2,33-Punkte-Trainer
Die taktischen Manöver von VfB-Trainer Tayfun Korkut tragen Früchte
AUGSBURG – Der Eindruck mag täuschen, aber Holger Badstuber wirkt zuweilen etwas gehetzt nach einem Fußballspiel. Am Sonntagabend nach dem 1:0 in Augsburg allerdings nahm sich der 28-Jährige aus Rot an der Rot lange Zeit für die wartenden Journalisten. Am Ende lachte er sogar. Gegen welchen Gegner das vor zehn Jahren gewesen sei, als er zuletzt den Sechser vor der Abwehr spielte, wurde der 31-malige Nationalspieler gefragt. Badstuber grinste nur: „Oh je, Dritte Liga, irgendwo.“
Erst am Morgen habe ihm Trainer Tayfun Korkut von seinem Plan berichtet, „kurzfristig“, sagte Badstuber, „was meine Lieblingsposition ist, wissen ja alle“: Innenverteidiger. Trotzdem habe er versucht, die Sechs so gut wie möglich auszufüllen und „da zu sein, egal, wo der Trainer mich hinstellt. Es ist eine ganz andere Position, du hast die Gegner im Rücken und nicht das ganze Spiel vor dir. Aber ich bin bereit, der Mannschaft zu helfen, und wir haben das defensiv gut gemacht, nichts zugelassen, nur das Abseitstor, aber das hätte ich auch ohne Videobeweis gesehen, dass das nix war.“
Korkuts Idee belohnt
Tatsächlich war das Manöver mit Badstuber, der Dennis Aogo ersetzte, ein wenig gewagt, wieder aber wurde Korkuts Idee belohnt. Manager Michael Reschke führte sie später aus: „Augsburg operiert viel mit langen Bällen. Holger ist kopfballstark, und er hat die Ruhe am Ball. Das waren die Gedanken des Trainers.“Korkut meinte nur: „Auch wenn es für Dennis schwer ist, er hatte ja sehr ordentlich gespielt: Holger hat in dieses Spiel gepasst. Sein Profil, die Art und Weise, wie er spielt, passte. Deswegen ist er reingekommen.“
Und könnte dort, auf der Sechs, womöglich auch bleiben bei der mit nur 27 Gegentoren inzwischen drittbesten Defensive der Bundesliga. Oder eben auch nicht: „Ich traue dem Trainer alles zu, er ist immer für Überraschungen gut. Und alle Maßnahmen haben bisher gegriffen“, lobte Reschke den Mann, den er vor drei Wochen für Hannes Wolf ausgewechselt hatte und dafür ziemlichen Gegenwind von Fans und quasi der gesamten fußballinteressierten Öffentlichkeit erfahren musste. Gegenwind und Spott.
Nur 1,1 Punkte im Schnitt hatte Korkut bis dato in seinen 78 Ligapartien gesammelt, als schlechtestmöglicher Nachfolger war er gegeißelt worden. In Stuttgart sind es nach drei Partien immerhin 2,33 Zähler. Korkut holte sie, indem er sich um das Misstrauen der Fans nicht scherte und viel veränderte, personell und taktisch. Christian Gentner, in Augsburg überragend, verdingt sich im 4-4-2 neuerdings als rechter Mittelfeldspieler, eigentlich aber ist er überall. Er klärt im Strafraum, leitet vorne Traumkonter ein, er gibt den Tausendsassa. „Christan ist nicht nur
„Wir haben Nadelstiche gesetzt, Chancen herausgespielt. Das war der nächste Step.“
Mario Gomez
der Kapitän, sondern auch das Gesicht des VfB in den letzten Jahren. Er ist sich für nichts zu schade, kann uns auf mehreren Positionen behilflich sein, auch innerhalb eines Spiels. Er ist eine Art Joker für uns“, sagte Korkut. Reschke ergänzte: „Was Gentner heute gespielt hat, war eine Eins mit Sternchen.“
Auch die Doppelspitze, die der Trainer installiert hat, funktioniert. Mario Gomez schoss sein zweites Tor und war stets gefährlich, Daniel Ginczek rackerte dahinter unermüdlich und erzwang den Freistoß, der zum Treffer führte. „Mit ihrer Physis, aber auch ihrem Tempo sind sie von jeder Abwehr nur schwer zu verteidigen“, sagte Reschke. Tatsächlich hat der VfB in Gomez, Ginczek und Gentner neuerdings quasi drei Neuzugänge, die mit Leistung vorangehen. Dass Gomez die Großchance zum 2:0 ausließ und die Kollegen zahllose hochkarätige Konter versemmelten, war ihm egal: „Wichtig war nicht, wie hoch wir gewinnen, sondern dass wir gewinnen. Und wir haben das 1:0 nicht nur verteidigt wie gegen Gladbach, sondern Nadelstiche gesetzt, Chancen herausgespielt. Das war der nächste Step“, so Gomez.
Alles also wieder gut beim VfB? Korkut, der sich weiter extrem nüchtern gibt, blieb selbst nach einem Auswärtssieg, den den Stuttgartern kaum einer mehr zugetraut hätte im Abstiegskampf, demütig: „Die Mannschaft darf sich freuen, weiß aber, dass morgen weitergearbeitet wird. Jeder kann die Tabelle lesen, der Abstand zu Rang 16 hat sich nicht verändert.“Allerdings ist er nun gleich groß wie jener zu Platz acht, zu den Augsburgern, vier Punkte nämlich. Am Samstag kann ihn Korkut gegen Frankfurt weiter verkürzen.