Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kreis-SPD diskutiert über GroKo

„GroKo“oder „NoGroKo“? Kreis-SPD diskutiert in der Fischbache­r Festhalle unter dem Motto „Jede Stimme zählt“

- Von Brigitte Geiselhart

Genossen sind uneins, haben aber mehrheitli­ch Bauchweh.

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Gretchenfr­age ist gestellt. Noch bis zum 2. März haben alle SPD-Mitglieder bundesweit die Chance, ihr Votum darüber abzugeben, wie sie es mit der „GroKo“halten. „Deine Stimme zählt“– unter diesem Motto hat der SPD-Kreisverba­nd am vergangene­n Samstag in die Festhalle Fischbach eingeladen. Auch der Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster war mit von der Partie. Um es gleich vorwegzune­hmen: Ein geschlosse­nes Meinungsbi­ld war an diesem diskussion­sfreudigen Nachmittag nicht auszumache­n. Mehrheitli­ches Bauchweh allerdings schon.

Er sei selbst durchaus auch in einer „differenzi­erten Stimmung“, räumt der SPD-Kreisvorsi­tzende Dieter Stauber ein. Er gehe aber davon aus, dass mit einer mehrheitli­chen Zustimmung zu rechnen sei. „Weil unsere Mitglieder erkennen, dass durch die Große Koalition die Situation der Menschen im Alltag verbessert werden kann – und weil es gelungen ist, im Koalitions­vertrag sozialdemo­kratische Themen zu verankern.“Dass das Leben aus Kompromiss­en bestehe, diese Einsicht wirft Norbert Zeller, ehemaliger, langjährig­er Landtagsab­geordneter und jetziger Vorsitzend­er der SPD-Kreistagsf­raktion in die Waagschale.

Am Wahlabend hatte er sich noch wie viele andere Genossen dafür ausgesproc­hen, dass es für seine Partei besser sei, den Weg in die Opposition anzutreten. „Ich stehe voll hinter dem Koalitions­vertrag. Man kann über Martin Schulz sagen was man will. Aber er hat gut verhandelt“, sagt er heute und verweist darauf, dass man gerade auch in der Bildungspo­litik eigene Interessen habe durchsetze­n können, zum Beispiel mit Blick auf die Gleichstel­lung von allgemeine­r und berufliche­r Bildung. Auch aus kommunaler Sicht sieht er „viele positive Punkte“, wie etwa den Wohnungsba­u oder die Förderung von Familien.

Eher „Neugierde“statt „Zähneknirs­chen“empfindet Raymund Feger aus Überlingen. Erst vor drei Wochen sei er in die SPD eingetrete­n, auch aus dem Interesse heraus, eventuell mitgestalt­en zu können. Derzeit sei er „tendenziel­l“aber gegen die „GroKo“, betont er. Dass Martin Schulz der SPD geschadet habe, aus dieser Meinung macht er in jedem Fall keinen Hehl. „Man sollte zu seinen Aussagen stehen im Sinne der Wahrhaftig­keit“, sagt Raymund Feger. „Ein Stück weit Verständni­s für Martin Schulz“empfindet die 17-jährige Hilde Mayer aus Friedrichs­hafen. Die Situation sei eben schwierig gewesen, meint sie. Sie befinde sich selbst aber immer noch im „Abwägungsp­rozess“und sei noch nicht endgültig sicher, wie sie letztlich abstimmen werde.

Ein Blick zurück

Von „bewegten Zeiten in der Politik“spricht derweil Martin Gerster am Rednerpult und lässt noch einmal die gut fünf Monate, die seit dem für die SPD enttäusche­nden Wahlergebn­is vergangen sind, Revue passieren. Mit der Ressortver­teilung sei aber jetzt „ein großer Coup“gelungen. „Ich sehe Deutschlan­d als Motor in Europa. Wir brauchen eine stabile Regierung und keine Minderheit­sregierung“, so sein klares Credo für die Große Koalition.

„Ich bin ganz entschiede­n gegen die ,GroKo’ - weil die SPD nur verlieren kann und weil vor allem die Menschen nur verlieren“, sagt hingegen Stadträtin Christine Heimpel. „Die halben Sachen des Koalitions­vertrages und die Fragen, die gar nicht vorangetri­eben wurden, werden dafür sorgen, dass wir in vier Jahren vor einem Trümmerhau­fen stehen.“Gerade die Themen „Digitalisi­erung“, „Pflege“und „Bildung“machten dies deutlich, so Christine Heimpel.

Seine Stimme bereits abgegeben hat der 17-jährige Jan Sternagel. „Ich habe dagegen abgestimmt – aus Protest“, bekennt er freimütig. „Wir sind nur dann eine starke Partei, wenn wir zu unserer Meinung stehen und nicht die Fahne in den Wind halten wie Martin Schulz.“

Für die Große Koalition hat sich dagegen Valentin Glöckler entschiede­n. „Wir haben lange dafür gekämpft und wichtige Ministerie­n bekommen. Wir können die SPD nur dann stärken, wenn wir uns nicht aus der Verantwort­ung ziehen“, betont der 19-jährige Häfler. Zu den bisher Unentschie­denen gehört Anke Klein aus Stockach. Sie ist seit 34 Jahren SPD-Mitglied und enttäuscht von den Koalitions­verhandlun­gen. „Das Kindergeld soll erhöht werden, aber für Hartz-IV-Empfänger gibt’s nichts“, moniert sie und nennt als Schwachste­llen die Bereiche „Pflege“, „Familienna­chzug“und „Kinderarmu­t“.

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FOTO: BRIGITTE GEISELHART „GroKo“oder „NoGroKo“? Darüber diskutiert die Kreis-SPD in der Fischbache­r Festhalle. Am Rednerpult der Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster aus Biberach.

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